Wie unser Gehirn Handlungspläne organisiert



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07.05.2025 11:06

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wie unser Gehirn Handlungspläne organisiert

Wie werden die Beziehungen zwischen Handlungsplänen im Gehirn organisiert & strukturiert, um unser reiches Verhaltensrepertoire zu unterstützen? Irina Barnaveli, Christian Doeller, Simone Viganò & Daniel Reznik vom MPI CBS sowie Patrick Haggard vom University College London, zeigen in ihrer aktuellen Studie, dass das Gehirn Assoziationen zwischen Handlung und Ergebnis in einer kognitiven Kartenstruktur organisiert. Das Team beschreibt in Nature Communications, dass diese Karten im Hippocampus während der Handlungsbewertung mit dem motorischen System kommunizieren – was darauf hindeutet, dass die Fähigkeit zur zielgerichteten Handlungsplanung auf mehreren neuronalen Systemen beruht.

Die menschliche Fähigkeit, ein vielfältiges und hochkomplexes Repertoire an Handlungsplänen zu entwickeln, ist wirklich bemerkenswert. Viele unserer Verhaltensweisen beruhen auf Assoziationen zwischen Handlungen und ihren Ergebnissen, die wir flexibel gestalten und nutzen können. So kann beispielsweise ein und derselbe Tastendruck zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, ob er auf einer Computertastatur, einem Radio oder in einem anderen Kontext ausgeführt wird. Wir haben oft mehrere Alternativen zur Auswahl, so dass die Auswahl einer Handlung einen Vergleich der verfügbaren Handlungsergebnisse erfordert, was ein nicht triviales und anstrengendes Problem darstellt.

„Wie vergleichen wir die vielen im Gedächtnis gespeicherten Handlungspläne und wählen den am besten geeigneten aus? Wir schlagen vor, dass diese Assoziationen zwischen Handlung und Ergebnis in einer kognitiven Karte im Hippocampus organisiert werden, die eine effiziente Auswahl von Handlungen aus dem reichhaltigen menschlichen Verhaltensrepertoire unterstützen könnte“, erklärt Irina Barnaveli, Erstautorin der Studie. „Der Hippocampus ist ein Teil des Gehirns, der an der Bildung von Erinnerungen und der Navigation im Raum beteiligt ist. Die Navigation hängt stark von der Erstellung von Raumkarten ab. Unsere Studie deutet darauf hin, dass wir ähnliche Karten erstellen, um Handlungspläne zu organisieren und auszuwählen und so die Wahrnehmung mit der Handlung zu verknüpfen“.

In der immersiven virtuellen Realität führten die Studienteilnehmenden eine motorische Interaktionsaufgabe durch, bei der sie lernten, das Fliegen und Fangen eines virtuellen Balls durch verschiedene Aktionen zu steuern. Später verglichen sie die erlernten Handlungen, während ihre Gehirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) überwacht wurde. Die Wissenschaftler*innen fanden Muster der Gehirnaktivität, die typischerweise als Signaturen des „kognitiven Mappings“ interpretiert werden, was darauf hindeutet, dass das Gehirn Handlungspläne abstrahiert und in einer kartenähnlichen Darstellung organisiert. Diese Karte lässt sich auch am Verhalten der Teilnehmenden ablesen: Je näher die Handlungen innerhalb der hypothetischen Karte lagen, desto ähnlicher wurden sie von den Studienteilnehmenden wahrgenommen. Erstaunlicherweise tauscht diese kognitive Karte im Hippocampus Informationen mit dem motorischen System aus, um mehrere Handlungspläne miteinander in Beziehung zu setzen.

„Die kartenähnlichen Darstellungen könnten daher zeigen, wie Menschen mit ihrer Umwelt in einem sehr allgemeinen Sinne interagieren, weit über den spezifischen Fall der räumlichen Navigation hinaus. Indem sie die Handlungsauswahl unterstützen, könnten kognitive Karten dazu beitragen, den Erwerb und die Nutzung eines breiten Repertoires von Handlungsplänen zu optimieren. Diese Entdeckung stellt die klassische Unterscheidung in Frage zwischen deklarativem, also Wissensgedächtnis, und prozeduralem Gedächtnis, also dem Verhaltensgedächtnis, und deutet darauf hin, dass zielgerichtete Handlungen auf mehreren neuronalen Systemen beruhen, die Handlungsgenerierung, motorische Planung und Gedächtnis beinhalten“, fasst Christian Doeller, Letztautor der Studie, zusammen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Irina Barnaveli
Doktorandin
barnaveli@cbs.mpg.de
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig

Prof. Christian Doeller
Direktor Abteilung Psychologie
doeller@cbs.mpg.de


Originalpublikation:

Irina Barnaveli, Simone Viganò,
Daniel Reznik, Patrick Haggard,
Christian F. Doeller
„Hippocampal-entorhinal cognitive maps and cortical motor system represent action plans and their outcomes“
https://www.nature.com/articles/s41467-025-59153-y


Weitere Informationen:

https://www.cbs.mpg.de/2355131/20250505-01?c=2470


Bilder

Im VR-Lab testeten die Forschenden, wie unser Gehirn Handlungspläne organisiert.

Im VR-Lab testeten die Forschenden, wie unser Gehirn Handlungspläne organisiert.
MPI CBS
MPI CBS


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW