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08.05.2025 09:00
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Bakterien: Erfassung der Genaktivität effizienter gemacht
Die Genaktivität jeder einzelnen Bakterienzelle in einer Kolonie analysieren? Eine in Würzburg entwickelte Methode der Einzelzell-Transkriptomik schafft das deutlich effizienter als andere Verfahren: Sie erfasst bei kleineren Probengrößen zuverlässig 95 Prozent der eingesetzten Bakterien und pro Bakterienzelle 300 bis 600 Gene.
In einer Population von Bakterien sind nicht alle Individuen identisch. Manche stehen vielleicht kurz vor einer Zellteilung, andere differenzieren sich aus, wieder andere sind im Begriff, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Gerade mit Blick auf Krankheitserreger ist es der Forschung wichtig, diese Vielfalt innerhalb einer Bakterienpopulation so gut wie möglich zu verstehen. Denn dieses Wissen kann dabei helfen, verbesserte Therapien zu entwickeln.
Eine Technologie, die bei der Analyse der Bakterienvielfalt hilft, ist die Einzelzell-Transkriptomik. Mit ihr lässt sich anhand kleiner Botenmoleküle (mRNA) erfassen, welche Gene in den einzelnen Bakterienzellen einer Population zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiv sind. Auch bei komplex zusammengesetzten Bakteriengruppen zeigt die mRNA-Analyse, wie die einzelnen Bakterienzellen auf Antibiotika oder andere Umweltveränderungen reagieren.
Publikation im Journal „Nature Protocols“
Forschende der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) haben 2020 eine innovative Variante der bakteriellen Einzelzell-Transkriptomik entwickelt. Das Verfahren heißt bakterielles MATQ-seq und hat einige Vorzüge.
Die Würzburger Forschenden haben ihre Methode seitdem weiter ausgearbeitet. Im Journal Nature Protocols präsentieren sie nun ein Schritt-für-Schritt-Protokoll, also eine genaue Anleitung zur Erstellung von Einzelbakterien-Transkriptomen mit MATQ-seq. Das Protokoll umfasst auch die experimentelle und computergestützte Analyse der Daten.
Protokoll erfasst 95 Prozent der eingesetzten Bakterien
„Wir haben auf Basis der quantitativen Einzelzell-RNA-Sequenzierung ein robustes bakterielles scRNA-seq-Protokoll entwickelt“, sagt Dr. Christina Homberger vom JMU-Institut für molekulare Infektionsbiologie (IMIB), die inzwischen am Biozentrum der Universität Basel forscht. Die Wissenschaftlerin und ihr JMU-Kollege Dr. Fabian Imdahl sind die Erstautoren der Studie.
„Anhand von Modellorganismen wie Salmonella enterica zeigen wir, dass die Methode sehr effizient ist“, erklärt Christina Homberger. Man erreiche damit eine sehr hohe Zell-Retentionsrate von 95 Prozent – das bedeutet, dass am Ende des Verfahrens von 95 Prozent der eingangs verwendeten Zellen tatsächlich auch individuelle Genbibliotheken erstellt werden. Das übertreffe andere Protokolle ganz erheblich: Diese hätten Verlustraten von bis zu 70 Prozent.
Aktivität von 300 bis 600 Genen wird analysiert
„Unsere Methode erkennt zuverlässig die Aktivität von 300 bis 600 Genen pro Bakterienzelle. Auch das ist im Schnitt deutlich mehr als andere Methoden derzeit erreichen“, sagt Fabian Imdahl. Anhand der erfassten Genaktivitäten könne man sehr gut erkennen, was ein einzelnes Bakterium gerade tut oder auf welche Umweltbedingung es sich aktuell anpasst.
Die gesamte Prozedur – von der Einzelzellisolierung bis zur Rohdatengenerierung – dauert mit MATQ-seq etwa fünf Tage. Sie ist ideal für kleinere Proben aus hunderten von Zellen; in diesem Bereich funktioniert sie sehr effizient und mit hoher Auflösung. Für einen hohen Zelldurchsatz im Bereich von hunderttausenden bis hin zu Millionen von Zellen eignen sich eher andere Protokolle, wobei hier ein hoher Verlust von Zellen und die Detektion von weniger als 100 Genen pro Zelle in Kauf zu nehmen ist.
Weltweit einzigartige Plattform für Kollaborationen
„Unser Protokoll ermöglicht die robuste Analyse verschiedener Bakterienspezies und bildet damit die Grundlage für den Aufbau einer weltweit einzigartigen mikrobiellen Einzelzell-RNA-Sequenzierungsplattform hier in Würzburg“, erklärt Professor Jörg Vogel, Direktor des HIRI und des IMIB. Die Plattform soll dazu dienen, Protokolle und Expertise zu bündeln und die Technologien anderen Forschenden und Laboren zugänglich zu machen.
Die neue Plattform heißt Center for Microbial Single-Cell RNA-seq (MICROSEQ): „Sie basiert auf den von uns entwickelten Technologien und etablierten Hochdurchsatz-Methoden für die Transkriptomanalyse einzelner Bakterien.“ Forschungsgruppen aus aller Welt können dort künftig Zugriff auf Technologien zur Einzelzell-Transkriptomik von Bakterienzellen bekommen.
MICROSEQ entsteht als Teil des Würzburger Single-Cell Centers, das schon jetzt Transkriptomanalysen einzelner eukaryotischer Zellen anbietet: www.single-cell-center.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Fabian Imdahl, Institut für Molekulare Infektionsbiologie, Universität Würzburg, fabian.imdahl@uni-wuerzburg.de
Originalpublikation:
Homberger, C., Imdahl, F., Hayward, R.J. et al. Transcriptomic profiling of individual bacteria by MATQ-seq. Nature Protocols, 9. April 2025, DOI: 10.1038/s41596-025-01157-5.
Bilder
Der Cartoon macht die Funktionsweise der Einzelzell-Transkriptomik anschaulich: Aus unzähligen Bakte …
Scigraphix
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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