Röntgenanalytik in der Bewegung: Dynamische 3D-Diagnose für instabile Schultern



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08.07.2025 08:06

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Röntgenanalytik in der Bewegung: Dynamische 3D-Diagnose für instabile Schultern

Schulterinstabilitäten sind schwer zu diagnostizieren, da sie meist nur auftreten, wenn man die Schulter bewegt. Eine zeitaufgelöste 3D-Analyse ermöglicht nun erstmals eine präzise Erfassung dieser Dynamik. Empa-Forscher Ameet Aiyangar kombiniert Röntgenvideos mit virtuellen 3D-Modellen der Gelenke, um die Instabilitäten millimetergenau zu erfassen.

Nach einer behandelten Schulterverletzung bleibt oft ein Gefühl der Unsicherheit – viele Betroffene berichten, die Schulter «halte nicht» oder «rutsche leicht heraus». Bei der Diagnose einer Schulterinstabilität sind Ärztinnen und Ärzte häufig auf solch subjektiven Einschätzungen angewiesen. Der Grund: Gängige bildgebende Verfahren erfassen die Bewegung der Schulter nicht. Die neu entwickelte 4D-Analyse des Empa-Forschers Ameet Aiyangar geht deshalb über die statische Bildgebung hinaus: «Wir kombinieren hochpräzise Röntgenvideos aus zwei Perspektiven und rekonstruieren daraus eine vierdimensionale Bewegungsanalyse – also eine 3D-Aufnahme, während sich die Schulter bewegt.»

Optimierte Therapie statt unnötiger Eingriffe

Die Schulter ist das beweglichste Gelenk im menschlichen Körper und daher besonders anfällig für Verletzungen. Zwar kugeln sich nur etwa zwei Prozent der Menschen irgendwann im Lauf ihres Lebens das Schultergelenk aus. Allerdings kehren viele Patienten nach einer Behandlung erneut in die Klinik zurück, da sie weiterhin Beschwerden haben oder mit dem Ergebnis unzufrieden sind. Laut Aiyangar erleidet jede zweite betroffene Person eine erneute Auskugelung des Schultergelenks. «Gerade bei chirurgischen Eingriffen ist das problematisch – bis zu zwei Drittel der operierten Patienten kugeln sich die Schulter erneut aus und suchen wieder Hilfe. Das zeigt, dass es in der Diagnostik und Therapieplanung ein grosses Optimierungspotenzial gibt.»
Derzeit wird die Stabilität des Schultergelenks meist manuell getestet – eine Methode, deren Genauigkeit stark von der Erfahrung der behandelnden Ärztinnen und Physiotherapeuten abhängt. Statische bildgebende Verfahren wie Röntgen, Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) nützen nur ergänzend, da sie keine dynamischen Bewegungsabläufe erfassen. Mit der neuen Technologie können die Empa-Forschenden Instabilitäten erstmals quantitativ messen und gezielt analysieren. Das bietet Ärztinnen und Ärzten eine präzisere Entscheidungsgrundlage, ob eine physiotherapeutische Behandlung ausreicht oder eine Operation notwendig ist. «Das vermeidet unnötige chirurgische Eingriffe oder zögert sinnvolle nicht unnötig hinaus und ermöglicht so eine individuell optimierte Therapie», sagt Aiyangar.

Schulterinstabilitäten millimetergenau messen

Für die dynamischen 3D-Bilder der Schulter kommt ein biplanares radiographisches Bildgebungssystem (DBRI) zum Einsatz das bei sitem-insel, dem Schweizer Institut für Translationale und Unternehmerische Medizin in Bern, installiert ist. Es wurde in enger Zusammenarbeit mit der Empa und dem Inselspital Bern entwickelt. Zunächst führen die Probanden gezielte Schulterbewegungen aus, die mit synchronisierten Röntgenaufnahmen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen werden. Mithilfe zusätzlicher CT-Aufnahmen werden detaillierte 3D-Modelle der Knochen mit anatomischen Orientierungspunkten rekonstruiert. Ein darauf basierendes Tracking-Verfahren bestimmt die exakte Position des Schultergelenks. Abschliessend berechnet eine Optimierungs-Software die Bewegungsabläufe der Schulter.
Dadurch können die Forschenden nicht nur die groben Bewegungsmuster eines Gelenks erfassen, sondern auch die kleinsten, für die Stabilität entscheidenden Roll- und Gleit-Bewegungen – mit einer Genauigkeit im Bereich von 0,1 bis 0,5 Millimetern. «Das ist ein entscheidender Fortschritt, denn konventionelle Bewegungslabore mit Infrarotkameras und Markern auf der Haut weisen eine Ungenauigkeit von 20 bis 40 Millimeter auf – viel zu unpräzise, um Instabilitäten verlässlich zu erkennen», so Aiyangar.

Diagnose ohne strahlenbasierte Bildgebung als Ziel

Als nächstes ist eine gemeinsame Studie mit dem Inselspital Bern geplant, mit dem eine langjährige Forschungskooperation besteht. Gesucht werden rund 40 Patienten mit unbehandelter Schulterinstabilität, die vor und nach einer gezielten Muskelkräftigung untersucht werden sollen. Individuelle muskuloskelettale Modelle spielen dabei eine zentrale Rolle, um die Wechselwirkungen zwischen Muskeln, Gelenken und Kräften zu analysieren. «Langfristig hoffen wir, dass unsere vierdimensionale Bewegungsanalyse ihren Weg in die klinische Praxis findet. Denn bei der Behandlung von Gelenkinstabilitäten liegt das Problem hauptsächlich in der Dynamik», erklärt Aiyangar. Auf Basis der biomechanischen Studiendaten will der Empa-Forscher zudem kraftgesteuerte kinematische Modelle entwickeln, die neben der Bewegung auch Muskelkräfte und Gelenkbelastungen berücksichtigen. Diese sollen künftig eine patientenspezifische dynamische Analyse der Schulterinstabilität ermöglichen – und somit eine umfassende klinische Diagnose ohne strahlenbasierte Bildgebung.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Ameet Aiyangar
Mechanical Systems Engineering
Tel. +41 58 765 4508
ameet.aiyangar@empa.ch


Weitere Informationen:

https://www.empa.ch/web/s604/3d-roentgen-dynamik-schulter


Bilder

Das Schultergelenk ist besonders beweglich und ebenso komplex. 4D-Röntgenanalysen sollen nun die Diagnose von Gelenkbeschwerden verbessern.

Das Schultergelenk ist besonders beweglich und ebenso komplex. 4D-Röntgenanalysen sollen nun die Dia

Copyright: Empa

Für die dynamischen 3D-Bilder der Schulter kommt ein biplanares radiographisches Bildgebungssystem (DBRI) zum Einsatz das bei sitem-insel, dem Schweizer Institut für Translationale und Unternehmerische Medizin in Bern, installiert ist.

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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


 

Quelle: IDW