Chlamydien können sich im Darm einnisten



Teilen: 

23.08.2024 08:29

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Chlamydien können sich im Darm einnisten

Chlamydien sind sexuell übertragbare Krankheitserreger, die offenbar längere Zeit im Darm des Menschen überdauern können. Das berichten Forschende aus Würzburg und Berlin im Journal PLOS Pathogens.

Ist ein Mensch mit Chlamydien infiziert, kann er diese Bakterien beim ungeschützten Geschlechtsverkehr auf andere Menschen übertragen. Die Erreger verursachen anfangs meist keine oder nur leichte Symptome, wie einen Juckreiz an Vagina, Penis oder Anus. Wird die Infektion bemerkt, lässt sie sich gut mit Antibiotika behandeln. Passiert das nicht, können die Bakterien gravierende Probleme verursachen, bis hin zu Unfruchtbarkeit und Krebs.

Aus dem klinischen Alltag ist ein Phänomen bekannt, das nach einer erfolgreichen Antibiotika-Therapie auftreten kann: Wenn bereits behandelte Menschen mit einer erneuten Chlamydien-Infektion zum Arzt kommen, sind sie oft von genau denselben Bakterienstämmen befallen wie bei der vorherigen Infektion.

„Der Verdacht liegt darum nahe, dass die Bakterien im Körper eine Nische finden, in der sie bislang nicht angreifbar sind, dass sie dort ein dauerhaftes Reservoir bilden und später wieder aktiv werden können“, sagt Professor Thomas Rudel, Chlamydien-Experte und Leiter des Lehrstuhls für Mikrobiologie am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Dieses Phänomen nennt sich Persistenz. Es ist problematisch, weil die im Körper überdauernden Chlamydien im Lauf der Zeit immer resistenter gegen Antibiotika werden.

Darm-Organoide experimentell mit Chlamydien infiziert

In welcher Nische persistieren die Bakterien? Von Experimenten an Mausmodellen ist bekannt, dass die Chlamydien im Darm der Tiere überdauern können. Und auch beim Menschen scheinen es sich die Bakterien an genau dieser Stelle bequem zu machen. Das berichten die Arbeitsgruppen von Thomas Rudel und Sina Bartfeld im Journal PLOS Pathogens. Die Professorin war bis 2021 an der JMU tätig; nun leitet sie das Fachgebiet für Medizinische Biotechnologie an der Technischen Universität Berlin.

Den Darm als Nische identifizierten die Forschenden mit Hilfe künstlicher Organe im Mini-Format, sogenannter Organoide. Das sind im Labor hergestellte Strukturen aus menschlichen Darmzellen, die dem Vorbild-Organ in Aufbau und Funktion stark ähneln.

Die Teams aus Würzburg und Berlin versuchten, die Darm-Organoide mit Chlamydien zu infizieren. Dabei stellten sie zum einen fest, dass die innere Zellschicht der Organoide sehr resistent gegen die Bakterien ist: Die Erreger konnten dort nur eindringen, wenn das Zellepithel beschädigt war. Von der Blutseite her aber gelang den Chlamydien eine hoch effiziente Infektion. „In diesem Fall fanden wir immer wieder die persistenten Formen der Bakterien, die mit ihrer typischen Gestalt unter dem Elektronenmikroskop deutlich zu identifizieren sind“, sagt JMU-Forscher Pargev Hovhannisyan, Erstautor der Publikation.

Klinische Studien und weitere Experimente müssen folgen

Übertragen auf den menschlichen Organismus würde das bedeuten: Eine Chlamydien-Infektion mit nachfolgender Persistenz kann über das Darminnere nur schwer, über das Blut dagegen sehr leicht erfolgen. Ob das im Körper des Menschen tatsächlich so passiert, müsse aber in klinischen Studien noch bestätigt werden, wie Thomas Rudel sagt.

Die experimentell arbeitenden Teams um Thomas Rudel und Sina Bartfeld möchten als nächstes klären, ob die Chlamydien für ihre Persistenz bestimmte Zelltypen wählen – keine einfache Aufgabe, schließlich besteht der Darm aus Hunderten von unterschiedlichen Zellarten. Vielleicht sind es aber auch Faktoren aus dem umliegenden Gewebe, die eine Persistenz auslösen. Diese und weitere Details sollen nun untersucht werden.

Förderer

Gefördert werden diese Arbeiten vom Europäischen Forschungsrat, der Thomas Rudel 2019 einen ERC Advanced Grant über rund 2,5 Millionen Euro zur Erforschung von Chlamydien bewilligt hat. Weitere Fördermittel stammen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Rudel, Lehrstuhl für Mikrobiologie, Biozentrum der Universität Würzburg, T +49 931 31-84401, thomas.rudel@uni-wuerzburg.de


Originalpublikation:

Infection of human organoids supports an intestinal niche for Chlamydia trachomatis. PLOS Pathogens, 22. August 2024, https://doi.org/10.1371/journal.ppat.1012144


Bilder

Immunfluoreszenzfärbung von menschlichen Magenzellen, die auf einer Mikroplatte gewachsen und mit Chlamydia trachomatis infiziert sind. Blau: Zellkerne, grün: C. trachomatis, grau: Aktin.

Immunfluoreszenzfärbung von menschlichen Magenzellen, die auf einer Mikroplatte gewachsen und mit Ch
Pargev Hovhannisyan
Universität Würzburg

Elektronenmikroskopische Aufnahme von menschlichen Darmzellen, die mit Chlamydia trachomatis infiziert sind und morphologisch unterschiedliche Formen von Chlamydien aufweisen.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von menschlichen Darmzellen, die mit Chlamydia trachomatis infizie
Pargev Hovhannisyan
Universität Würzburg


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW