21.12.2020 13:15
Corona: Wie das Virus mit Zellen interagiert
Wissenschaftler aus Würzburg und den USA haben den ersten vollständigen Atlas der direkten Interaktionen zwischen dem neuen Coronavirus und den von ihm befallenen Zellen erstellt. Dies eröffnet neue Wege der Behandlung.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
SARS-CoV-2-Infektionen stellen eine globale Bedrohung für die menschliche Gesundheit und eine gewaltige Herausforderung für die Forschung dar. Zu den dringlichsten Aufgaben gehört es, ein detailliertes Verständnis der molekularen Interaktionen zwischen dem Virus und den von ihm befallenen Zellen zu erlangen. Geklärt werden muss auch die Frage, ob diese Interaktionen die Vermehrung des Virus begünstigen oder – im Gegenteil – Abwehrmechanismen aktivieren.
Um sich zu vermehren nutzt SARS-CoV-2 Proteine der Wirtszelle. Bislang gab es jedoch keine detaillierten Informationen, welcher Teil des menschlichen Proteoms – sprich: der Gesamtheit aller im menschlichen Zellen vorkommenden Proteine – im direkten Kontakt mit der viralen RNA steht.
Publikation in Nature Microbiology
Diese Wissenslücke konnte nun geschlossen werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) Würzburg, der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und des Broad Institutes (Cambridge, USA) ist es gelungen, den ersten globalen Atlas der direkten Interaktionen zwischen der SARS-CoV-2-RNA und dem Proteom des menschlichen Wirts zu erstellen. Darüber hinaus identifizieren die Autoren wichtige Regulatoren der viralen Replikation. Verantwortlich für die Studie waren Dr. Mathias Munschauer vom HIRI und Professor Jochen Bodem vom Institut für Virologie und Immunbiologie der JMU. In der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Microbiology stellen sie die Ergebnisse ihrer Arbeit vor.
Im Sicherheitsstufe 3-Labor am HIRI infizierten die Wissenschaftler menschliche Zellen mit dem neuen Coronavirus, das RNA als genetisches Material nutzt. In einem zweiten Schritt reinigten sie die virale RNA auf und identifizierten die daran gebundenen Proteine. „Die Massenspektrometrie erlaubt es uns, die Wirtsproteine, die direkt mit dem Virusgenom assoziieren, genau zu bestimmen. In diesem speziellen Fall waren wir in der Lage, quantitative Messungen durchzuführen, um die stärksten spezifischen Bindungspartner zu identifizieren“, sagt Mathias Munschauer.
18 Proteine, 2 Schlüsselfaktoren und 20 potenzielle Inhibitoren
„Der auf diese Weise erstellte Atlas der RNA-Protein-Interaktionen bietet einzigartige Einsichten in SARS-CoV-2-Infektionen und ermöglicht die systematische Aufschlüsselung von zentralen Faktoren und Abwehrstrategien, eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien“, sagt Jochen Bodem. Insgesamt identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 18 Wirtsproteine, die während einer SARS-CoV-2-Infektion eine wichtige Rolle spielen.
Besonders interessant sind nach ihren Worten die beiden Faktoren CNBP und LARP1. Mit Hilfe genetischer Methoden identifizierten die Autoren die genauen Bindungsstellen dieser beiden Wirtsproteine im viralen Genom und zeigen, dass sie die Vermehrung des Virus gezielt hemmen können. Laut Mathias Munschauer ist die Charakterisierung von LARP1 als antiviralem Faktor eine entscheidende Erkenntnis: „Die Art und Weise, wie LARP1 an die virale RNA bindet, ist sehr interessant, denn sie ähnelt der Art wie LARP1 bestimmte zelluläre Boten-RNAs reguliert, die wir bereits kennen. Das wiederum gibt Einblicke in mögliche Wirkmechanismen.“
Der fächerübergreifende Charakter der Studie ermöglichte zudem die Identifikation von 20 niedermolekularen Inhibitoren von Wirtsproteinen, die SARS-CoV-2-RNA binden. Die Autoren zeigen, dass drei von vier getesteten Inhibitoren tatsächlich die virale Vermehrung in verschiedenen menschlichen Zelltypen hemmen. Dieses Ergebnis könnte neue Wege zur Behandlung von Infektionen mit SARS-CoV-2 und anderen RNA-Viren eröffnen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Mathias Munschauer, Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) Würzburg, T: +49 931 31-86951, mathias.munschauer@helmholtz-hiri.de
Prof. Dr. Jochen Bodem, Institut für Virologie und Immunbiologie, T: +49 931 31-81509, jochen.bodem@vim.uni-wuerzburg.de
Originalpublikation:
Schmidt N, Lareau C, Keshishian H, Ganskih S, Schneider C, Hennig T, Melanson R, Werner S, Wei Y, Zimmer M, Ade J, Kirschner L, Zielinski S, Dölken L, Lander ES, Caliskan N, Fischer U, Vogel J, Carr SA, Bodem J, Munschauer M (2020) The SARS-CoV-2 RNA-protein interactome in infected human cells. Nature Microbiology in press, https://doi.org/10.1038/s41564-020-00846-z
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch