Eine Wohlfühlumgebung für neurale Stammzellen



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20.02.2024 09:42

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Eine Wohlfühlumgebung für neurale Stammzellen

Forschende aus Bochum und Dortmund haben eine künstliche Zellumgebung erzeugt, die die Regeneration von Nerven begünstigen könnte. Normalerweise heilen Verletzungen im Gehirn oder Rückenmark sehr schwer, weil sich flüssigkeitsgefüllte Hohlräume und Narben bilden, die die Regeneration des Gewebes verhindern. Ein Ansatzpunkt der medizinischen Forschung ist daher, die Hohlräume mit einer Substanz zu füllen, die neuralen Stammzellen optimale Bedingungen bietet, um sich zu teilen und zu differenzieren. Das Team der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dortmund zeigte, dass positiv geladene Hydrogele das Überleben und die Weiterentwicklung von Stammzellen begünstigen können.

Dr. Kristin Glotzbach und Prof. Dr. Andreas Faissner vom Bochumer Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie kooperierten mit Prof. Dr. Ralf Weberskirch und Dr. Nils Stamm von der Fakultät Chemie und Chemische Biologie der Technischen Universität Dortmund. Die Ergebnisse beschreibt das Team in der Zeitschrift ACS Biomaterials Science and Engineering, einem Journal der American Chemical Society, vom 16. Januar 2024.

Positiv geladene Hydrogele fördern Überleben und Differenzierung

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiteten mit neuralen Stammzellen aus Gehirnen von Mäusen-Embryonen, die sie auf positiv geladenen Hydrogelen kultivierten. „Unser Ziel war es, eine künstliche Umgebung für Zellen zu schaffen, die der natürlichen Zellumgebung im Gehirn nachempfunden ist“, sagt Kristin Glotzbach. „Zellen besitzen eine negativ geladene Ummantelung, auch perizelluläre Matrix genannt. Dadurch haften sie besonders gut an positiv geladenen Substraten.“ Das Besondere an den eingesetzten Hydrogelen war, dass sich ihre positive Ladung in unterschiedlicher Stärke präzise einstellen ließ.

Wie die Versuche zeigten, begünstigten die positiv geladenen Hydrogele das Überleben der Zellen und beeinflussten ihr weiteres Schicksal. Hafteten die Stammzellen auf Hydrogelen mit hoher positiver Ladung, so entwickelten sich die Zellen bevorzugt zu Nervenzellen weiter. Auf weniger positiv geladenen Gelen entstanden dagegen aus den Stammzellen überwiegend Gliazellen, die wichtige Hilfsfunktionen für die Nervenzellen übernehmen.

Beeinflussen zu können, ob sich Stammzellen zu Nerven- oder Gliazellen ausdifferenzieren, wäre von Vorteil. „Je nach vorliegender Verletzung müssen unterschiedliche Zelltypen ersetzt werden“, erklärt Kristin Glotzbach. Nicht nur die Regeneration von Nervenzellen ist wichtig. „Bei bestimmten Krankheiten werden auch Gliazellen angegriffen, die man dann ersetzen möchte. Beispielsweise bei der Multiplen Sklerose wird die Isolierung der Nervenzellen zerstört, die von Oligodendrozyten gebildet wird.“

Zugabe von Wachstumsfaktor verbessert Überlebensrate weiter

Gaben die Forschenden zu den positiv geladenen Hydrogelen noch den Wachstumsfaktor FGF2 hinzu, konnten sie die Überlebens- und Teilungsrate der Zellen zusätzlich steigern. Allerdings differenzierten sie sich dann langsamer in Nerven- und Gliazellen aus.

„In zukünftigen Studien möchten wir die positiv geladenen Gele mit Peptiden oder Bestandteilen von extrazellulären Matrixmolekülen ausstatten und die natürliche Umgebung der Zellen so noch besser simulieren“, sagt Kristin Glotzbach. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen außerdem mit dreidimensionalen Gelen experimentieren, die Höhlungen nach Gehirnverletzungen ausfüllen könnten.

Förderung

Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Grantnummer 397037958) und von der Mercator Stiftung (Mercur PR 2011-0010 to RW und AF) gefördert.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Andreas Faissner
Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28851
E-Mail: andreas.faissner@ruhr-uni-bochum.de

Prof. Dr. Ralf Weberskirch
Fakultät für Chemie und Chemische Biologie
Technische Universität Dortmund
Tel.: +49 231 755 3863
E-Mail: ralf.weberskirch@tu-dortmund.de

Dr. Kristin Glotzbach
Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 25812
E-Mail: kristin.glotzbach@ruhr-uni-bochum.de


Originalpublikation:

Kristin Glotzbach, Nils Stamm, Ralf Weberskirch, Andreas Faissner: Cationic Hydrogels Modulate Neural Stem and Progenitor Cell Proliferation and Differentiation Behavior in Dependence of Cationic Moiety Concentration in 2D Cell Culture, in: ACS Biomaterials Science & Engineering, 2024, DOI: 10.1021/acsbiomaterials.3c01668


Bilder

Kristin Glotzbach und Andreas Faissner vom Bochumer Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie

Kristin Glotzbach und Andreas Faissner vom Bochumer Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neu

RUB, Marquard


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW