11.11.2020 10:36
Ein Neustart für die Nase
Nasenpolypen lassen sich chirurgisch entfernen, kommen aber nach der Behandlung oft wieder. Warum das so ist, und was man dagegen tun kann, hat Dr. Stijn Bogaert aus der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des St. Elisabeth-Hospitals, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gezeigt: Nach der Entfernung der gesamten Schleimhaut von Nebenhöhlen gelang eine Art Neustart mit deutlich weniger Entzündung sowie einer geringeren Rückfallrate. Für die Arbeit, die in der Zeitschrift „Allergy“ vom 8. August 2020 veröffentlicht wurde, wurde Stijn Bogaert im Oktober 2020 mit dem Nachwuchsförderpreis der Deutschen Gesellschaft für Allergie und Klinik Immunologie ausgezeichnet.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Bei Polypen – wissenschaftlich Polyposis nasi – handelt es sich um eine Entzündung der Nase und der Nasennebenhöhlen mit gutartigen Wucherungen der Nasenschleimhaut. Die aktuelle Standardtherapie ist eine chirurgische Entfernung der Polypen. „Das große Problem und die wissenschaftliche Herausforderung ist, dass die Polyposis nasi oft wieder auftritt“, sagt Stijn Bogaert. „Wir wussten schon, dass sich Nasenpolypen durch bestimmte Immunbotenstoffe – Zytokine – auszeichnen, die so ähnlich auch bei den Entzündungsprozessen bei Asthma und Neurodermitis vorkommen.“
Bogaert und seine Kolleginnen und Kollegen konnten zeigen, dass diese Entzündung auch in der Schleimhaut nachweisbar ist, wo sich keine Polypen befinden. Die dortige Entzündung ist genauso stark wie in den Nasenpolypen und auch in allen unterschiedlichen Nasennebenhöhlen ähnlich.
Im zweiten Teil der Studie hat das Team eine neue chirurgische Methode untersucht, bei der nicht nur die Nasenpolypen entfernt werden, sondern auch die gesamte Schleimhaut aller Nasennebenhöhlen. „Deswegen wird sie auch Reboot- oder Neustart-Technik genannt“, erläutert der Mediziner. Ein Jahr nach der Operation wurden die Patientinnen und Patienten nachuntersucht. Dabei konnten die Forscherinnen und Forscher feststellen, dass die Entzündung in der neugeformten Nasennebenhöhlenschleimhaut deutlich geringer und die Rückfallrate niedriger war. „Da die Schleimhaut abseits der Polypen bei der konventionellen Operation nicht mit entfernt wird, könnte sie also ein Grund für das häufige Wiederauftreten der Polypen sein“, folgert Stijn Bogaert.
Zur Person
Stijn Bogaert wurde 1993 in Belgien geboren, wo er 2010 sein Abitur machte. Im Anschluss studierte er Medizin in Gent. Nach praktischer Tätigkeit an Kliniken in Gent, Brüssel, Heidelberg und Gießen wechselte er 2018 als Assistenzarzt ans RUB-Klinikum.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Stijn Bogaert
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
St. Elisabeth Hospital
Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 509 8739
E-Mail: stijn.bogaert@rub.de
Originalpublikation:
Karin Jonstam*, Saeed Alsharif*, Stijn Bogaert*, Nicole Suchonos, Gabriele Holtappels, Jonas Jae‐Hyun Park, Claus Bachert: Extent of inflammation in severe nasal polyposis and effect of sinus surgery on inflammation, in: Allergy, 2020, DOI: 10.1111/all.14550
*die Autoren haben gleichermaßen beigetragen
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Personalia
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