20.07.2021 12:39
Forscherteam berechnet von Transporten radioaktiver Abfälle für das Logistikzentrum Konrad ausgehende Strahlenbelastung
In dem von der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung geplanten Logistikzentrum Konrad (LoK) sollen zukünftig schwach- und mittelradioaktive Abfälle zusammengeführt werden, bevor sie anschließend in Schacht Konrad endgelagert werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der GRS haben anhand von Inventardaten die Ortsdosisleistungen (ODL) und damit verbunden die Strahlenbelastung berechnet, die mit den Transporten vom und zum LoK einhergehen. Die Ergebnisse zeigen, dass die gesetzlichen ODL-Grenzwerte deutlich unterschritten werden.
Während die Suche nach einem Endlagerstandort für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle noch andauert, hat man einen für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung bereits gefunden: Im ehemaligen Eisenerzbergwerk Schacht Konrad sollen voraussichtlich ab 2027 schwach- und mittelradioaktive Abfälle endgelagert werden. Neben geringeren Abfallmengen aus Medizin, Forschung und Industrie fallen darunter vor allem solche aus Kernkraftwerken, und zwar überwiegend aus deren Rückbau. Dazu zählen beispielsweise ausgediente Anlagenteile und Komponenten wie Pumpen oder Rohrleitungen, Filter aus der Abwasser- und Abluftreinigung oder kontaminierte Schutzkleidung.
Bis das Endlager betriebsbereit ist, werden die radioaktiven Abfälle in sogenannten Zwischenlagern gelagert. In Deutschland betreibt die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung einen Großteil der Zwischenlager für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Um die ab 2027 geplante Entsorgung im Endlager Konrad zu beschleunigen, plant die BGZ auf dem Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks Würgassen zurzeit den Bau des zentralen Logistikzentrums für das Endlager Konrad (LoK). Dort sollen die radioaktiven Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung aus den Zwischenlagern zusammengeführt und für die Endlagerung bereitgestellt werden. Der Transport zum und vom LoK soll vorrangig über die Schiene erfolgen. Die Abfallbehälter sollen in standardisierten Transportcontainern transportiert werden.
GRS sammelt Daten und wertet sie aus
Im Rahmen von Forschungsvorhaben zur Sicherheit von Transporten radioaktiver Stoffe sammelt und bewertet die GRS im Auftrag des Bundesumweltministeriums auch Daten über das sogenannte Inventar von Abfallbehältern, die der BGZ übertragen wurden und die für die spätere Einlagerung im Endlager Konrad vorgesehen sind. Dazu gehören beispielsweise Angaben zur stofflichen Zusammensetzung, insbesondere zu Arten und Mengen der in den Abfällen enthaltenen radioaktiven Stoffe (fachsprachlich: Radionuklide), aber auch Informationen zu den Behältern und über eine eventuelle Verfüllung dieser Behälter mit Beton oder der zusätzlichen Verwendung anderer Materialien, die ionisierende Strahlung abschirmen. Die Daten wurden zuvor von der zuständigen Stelle bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung geprüft und bestätigt.
Anhand dieser Daten kann das Forscherteam die zu erwartenden Ortsdosisleistungen (ODL) berechnen, die durch die von den einzelnen beladenen Behältern ausgehende ionisierende Strahlung in deren räumlichem Umfeld verursacht werden. Mittels der ODL wird angegeben, welche Strahlendosis eine Einzelperson an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Zeitraum erhält. Die Kenntnis der ODL ist beispielsweise für die Genehmigung von derartigen Transporten relevant. So ist vom Antragsteller nachzuweisen, dass in zwei Metern Entfernung von den senkrechten Außenflächen des Transportfahrzeugs der gesetzliche Grenzwert einer ODL von 100 Mikrosievert pro Stunde (µSv/h) nicht überschritten wird. Die Einhaltung dieses Grenzwerts wird von den zuständigen Aufsichtsbehörden überwacht. Die Berechnungen erlauben es unter anderem, die ODL für beliebige Entfernungen vom Transportfahrzeug zu prognostizieren.
Berechnung der ODL berücksichtigt Vielzahl Faktoren
Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden zwei verschiedene Abfallbehältertypen betrachtet: erstens der quaderförmige Konrad-Container Typ-IV, in dem beispielsweise Abfälle aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen verpackt werden, und zweitens der zylinderförmige Mosaikbehälter II-15, in dem unter anderem radioaktive Filterrückstände aus dem Betrieb gelagert werden. Die beiden Typen unterscheiden sich neben ihrer Form auch in ihrer Beschaffenheit (Material, Dichte etc.). Der Konrad-Container Typ-IV ist derjenige Behälter, der im Rahmen der Transporte am häufigsten verwendet werden wird. Die Mosaikbehälter können demgegenüber stärker strahlendes Abfallinventar beinhalten und verfügen daher über eine stärkere Abschirmung.
Da es sehr aufwändig wäre, die Berechnungen für jeden Behälter einzeln durchzuführen, hat das Forscherteam die ODL für jeweils ein repräsentatives Abfallinventar pro Behältertyp berechnet. Für den Konrad-Container Typ-IV wurde dazu ein Durchschnittswert tatsächlich gegebener Inventare ermittelt, um ein möglichst realistisches Szenario abzubilden. Bei den Mosaikbehältern II-15 wählte das Team hingegen denjenigen mit der höchsten zu erwartenden ODL aus, da aufgrund der im Vergleich zu den Konrad-Containern Typ IV sehr geringen absoluten Anzahl der verfügbaren Inventare ein durchschnittlicher Wert nicht repräsentativ gewesen wäre.
Um die ODL zu ermitteln, mussten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem ersten Schritt herausfinden, welches radioaktive Inventar sich aktuell in den Behältern befindet. Die vorliegenden Behälterdaten beschreiben das Inventar zum Zeitpunkt der Verpackung, die zum Teil bereits viele Jahre zurückliegt. Daher wurde zunächst der Zerfall der Radionuklide in den Behältern vom Zeitpunkt der Verpackung bis heute rechnerisch simuliert. Dabei müssen unter anderem die Zerfallsart (Alpha- oder Beta-Zerfall) und die verschiedenen Halbwertszeiten beachtet werden. Das radioaktive Inventar reduziert sich allerdings nicht nur, sondern es entstehen beim Zerfallsprozess auch sogenannte Tochternuklide, die teilweise andere Eigenschaften aufweisen und von denen ebenfalls ionisierende Strahlung ausgehen kann.
Für die heute in den Behältern befindlichen radioaktiven Nuklide berechneten sie in einem zweiten Schritt die Intensität der von den Behältern ausgehenden Strahlung. Im dritten Schritt mussten die Forschenden berücksichtigen, dass die Strahlung teilweise von den Abfallbehältern (und in geringem Maße auch von dem Transportcontainer) abgeschirmt wird. Davon ausgehend konnten sie unter Zuhilfenahme sogenannter Monte-Carlo-Simulationen schließlich bestimmen, welche ODL sich in verschiedenen Entfernungen zur Außenwand der Transportcontainer ergibt.
Welche Strahlenbelastungen entstehen?
Welche Strahlendosis ein Mensch bei einem Aufenthalt in der Umgebung eines der betrachteten Behälter erhält, hängt neben der ODL am jeweiligen Aufenthaltsort auch von der Dauer des Aufenthalts ab; die Dosis ergibt sich durch die Multiplikation dieser beiden Faktoren.
Aus den Berechnungen der ODL ergibt sich, dass der für die Beförderung radioaktiver Stoffe maßgebliche Grenzwert von 100 µSv in einem Abstand von 2 Metern von der Außenfläche des Transportcontainers bei beiden Behältertypen um ein Vielfaches unterschritten wird. Hier wäre eine Aufenthaltsdauer von mindestens 4 Tagen erforderlich, um den gesetzlichen Grenzwert für die Strahlenbelastung einer Einzelperson aus der Bevölkerung von einem Millisievert (entspricht 1.000 µSv) zu erreichen.
Selbst bei einem Aufenthalt unmittelbar an der Außenfläche des Transportcontainers wäre den Berechnungen zufolge eine Verweildauer von über 15,5 (Typ-IV) beziehungsweise 68,5 Stunden (Mosaik) erforderlich, um diesen Dosisgrenzwert auszuschöpfen. Der jährliche Grenzwert für eine beruflich exponierte Person von 20 Millisievert im Jahr (also 20.000 µSv) würde an dieser Stelle nach rund 310 bzw. 1.370 Stunden erreicht.
In einem Abstand von 5 Metern vom Transportcontainer wäre eine Aufenthaltsdauer von rund 400 (für den TYP-IV) bzw. 1.580 Stunden (für den Mosaikbehälter II-15) erforderlich, um den jährlichen Grenzwert für eine Person aus der allgemeinen Bevölkerung (1 Millisievert/Jahr), oder 8.000 bzw. 31.600 Stunden, um den jährlichen Grenzwert für eine beruflich exponierte Person (20 Millisievert/Jahr) zu erreichen. In dieser Entfernung würde ein 4- bzw. 16-stündiger Aufenthalt zu einer Dosis führen, die in etwa der einer zahnärztlichen Röntgenuntersuchung (bis zu ca. 0,01 Millisievert) entspricht. Die durchschnittliche Dosis eines Flugs von Frankfurt nach New York (ca. 0,05 mSv) wäre an dieser Stelle nach ca. 20 bzw. 80 Stunden erreicht.
Fazit
Die Ergebnisse der aktuellen Berechnungen zeigen zum einen, dass der für die Beförderung radioaktiver Stoffe geltende Grenzwert für die Ortsdosisleistung beim Transport der hier betrachteten Behälter um ein Vielfaches unterschritten wird. Zum anderen wird deutlich, dass bereits in einem Nahbereich von einem bis einigen wenigen Metern Abstand von den Transportcontainern eine ununterbrochene Aufenthaltsdauer von mehreren Tagen bzw. Wochen erforderlich wäre, um den gesetzlichen Grenzwert für die Strahlenbelastung einer Einzelperson aus der Bevölkerung zu erreichen. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen der Transportstudie Konrad 2009, mit der gezeigt wurde, dass die in der Standortregion des Endlagers Konrad zusammenlaufenden Abfalltransporte kein ins Gewicht fallendes radiologisches Risiko für die Bevölkerung, das Transportpersonal und die Umwelt darstellen.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
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