Ivermectin: Keine Evidenz für Wirksamkeit gegen COVID-19



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28.07.2021 14:46

Ivermectin: Keine Evidenz für Wirksamkeit gegen COVID-19

Das Parasitenmedikament Ivermectin wird von manchen Lobbygruppen auch als Therapieoption gegen COVID-19 propagiert. Ein neuer Cochrane Review findet keine überzeugenden Studiendaten, die dies stützen würden. Allerdings ist die Evidenzlage noch unsicher, aktuell laufende Studien werden hier hoffentlich bald für Klarheit sorgen.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Der Wirkstoff Ivermectin wird seit Jahrzehnten erfolgreich gegen Parasiten (z. B. Würmer, Milben und Läuse) bei Mensch und Tier eingesetzt. Es steht seit langem auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation und brachte seinen Entwicklern 2015 den Medizin-Nobelpreis ein.

In der COVID-19-Pandemie gehört Ivermectin zu vielen bereits für andere Zwecke zugelassenen Wirkstoffen, die auf eine mögliche Wirksamkeit gegen das SARS-CoV-2-Virus hin untersucht wurden. Tatsächlich zeigte eine Laborstudie vom April 2020, dass Ivermectin in Zellkulturen die Vermehrung des für COVID-19 verantwortlichen Virus SARS-CoV-2 hemmen kann. Allerdings lag die eingesetzte Dosis weit über jener, die für Menschen zugelassen ist.

Trotzdem führte diese Studie zusammen mit günstig erscheinenden Ergebnissen erster kleiner Studien dazu, dass sich verschiedene Lobbygruppen für den Einsatz von Ivermectin in der Behandlung von COVID-19 einsetzten. Insbesondere in Südamerika begannen viele Menschen ohne Evidenzbasis auf eigene Initiative mit der Einnahme von Ivermectin. Mittlerweile gibt es einige abgeschlossene klinische Studien zu Ivermectin. Die Evidenz aus diesen Studien zu sammeln, zu bewerten und zusammenzufassen, war das Ziel des nun vorliegenden Cochrane Reviews.

Die Autor*innen suchten dafür systematisch nach randomisierten kontrollierten Studien, welche u.a. den Einfluss einer Ivermectin-Behandlung auf Sterblichkeit und Schwere der Erkrankung oder die Länge des Krankenhausaufenthaltes, oder eine eventuelle vorbeugende Wirkung von Ivermectin untersuchen. Zudem werteten sie Studiendaten zu unerwünschten Nebenwirkungen aus. Die so identifizierten Studien wurden nach Cochrane-Methodik auf mögliche Verzerrungsrisiken (Risk of Bias) und die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse (nach GRADE) hin bewertet. Studien mit hohem Verzerrungspotential gingen nicht in die Auswertung ein. Zu den von vornherein ausgeschlossenen Studien gehörte auch eine stark für eine Wirksamkeit von Ivermectin sprechende Arbeit, die Mitte Juli wegen Fälschungsverdachts zurückgezogen wurde.

Am Ende konnten die Autor*innen 14 Studien, die den vorher festgelegten Kriterien entsprachen, in den Review einschließen (insgesamt 1678 Teilnehmende; Stand der Studiensuche: 26. Mai 2021).

Die Ergebnisse des Cochrane Reviews sind ernüchternd: Verglichen mit Placebo oder einer Standardbehandlung zeigte Ivermectin weder bezüglich des Sterberisikos, noch des klinischen Zustands von COVID-19 Patient*innen einen Vorteil. Auch zu einer vorbeugenden Wirkung von Ivermectin nach einem möglichen Kontakt mit dem Virus lassen sich keine Aussagen machen. Die Vertrauenswürdigkeit der vorhandenen Evidenz ist niedrig bis sehr niedrig.

Die Hauptautorinnen der Studie, Maria Popp und Stephanie Weibel von der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Würzburg kommentieren: „Grund für den Mangel an hochwertiger Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin ist ein Studienpool, der hauptsächlich aus kleinen, unzureichend gepowerten RCTs mit Mängeln in Bezug auf Studiendesign, Durchführung und Berichterstattung besteht. Die derzeitige Evidenz ist dünn und kann nicht klären, ob Ivermectin zur Behandlung oder Vorbeugung von COVID-19 einen Nutzen bringt. Eine sicherere Einschätzung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Ivermectin gegen COVID-19 wird erst möglich sein, wenn derzeit noch laufende größere Studien abgeschlossen sind. Sobald dies der Fall ist, werden wir unseren Review aktualisieren.“
ENDE

Hinweis:
Die Vorarbeit zu diesem Cochrane Review wurde im Rahmen des Projektes CEOsys (COVID-19-Evidenzökosystem) erbracht, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Nationale Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin zu Covid-19 (NUM).


Originalpublikation:

Popp M, Stegemann M, Metzendorf M-I, Gould S, Kranke P, Meybohm P, Skoetz N, Weibel S. Ivermectin for preventing and treating COVID‐19. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 7. Art. No.: CD015017. DOI: 10.1002/14651858.CD015017.pub2.


Weitere Informationen:

https://wissenwaswirkt.org/ivermectin-gegen-covid-19-keine-evidenz-fuer-wirksamk…


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW