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19.03.2024 09:00
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Lesestörung nach Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Traum: Neuropsychologen helfen mit Online-Therapie
Probleme beim Lesen können bei Hirnverletzungen auftreten, die zum Beispiel durch einen Schlaganfall, einen Hirntumor oder ein Schädel-Hirn-Trauma verursacht wurden. Meist ist dabei das Sehfeld eingeschränkt. Neuropsychologen der Universität des Saarlandes haben jetzt eine Lesetherapie entwickelt, die schon nach kurzer Zeit bei den betroffenen Patienten das Lesevermögen signifikant verbessert hat. Die in der Saarbrücker Hochschulambulanz getestete Therapie kann auch zu Hause durchgeführt werden.
Wenn das menschliche Gehirn durch eine schwere Erkrankung oder einen Unfall Schaden nimmt, kann es passieren, dass die betroffene Person nur noch einen Teil des Gesichtsfeldes wahrnimmt. In Deutschland leiden schätzungsweise über neunzigtausend Menschen pro Jahr an Sehstörungen, die durch einen Schlaganfall ausgelöst wurden. Dies wirkt sich auch auf das Lesevermögen aus. „Wir haben 27 Patientinnen und Patienten mit dieser Symptomatik über mehrere Wochen mit einer speziellen Lesetherapie behandelt. Schon nach etwa 18 Therapiestunden konnten alle Betroffenen wieder deutlich schneller und genauer lesen. Sie erinnerten sich zudem wieder besser an die gelesenen Texte, fanden einfacher Fehler im Text und konnten Telefonnummern wieder flüssiger lesen“, erläutert Georg Kerkhoff, Professor für Klinische Neuropsychologie der Universität des Saarlandes. Die Studienteilnehmer nahmen diese Fortschritte auch selbst bewusst wahr, da sie beim Lesen weniger ermüdeten als zuvor und sich im Alltag wieder besser zurechtfanden. Zwei Drittel der Betroffenen konnten nach der Behandlung in ihren früheren Beruf zurückkehren.
„Das Besondere an unserer Lesetherapie ist, dass wir drei verschiedene Methoden miteinander kombinieren. Die Studienteilnehmer haben nicht nur Fließtexte gelesen, sondern bekamen einzelne Wörter als schnelle serielle visuelle Präsentation (RSVP) angezeigt. Zudem wurde die Technik des bewegten Fensters eingesetzt, bei dem die Augen gezwungen werden, einzelnen Wörtern zu folgen“, erklärt Professor Kerkhoff. Die Patientinnen und Patienten wurden für diese Studie in der Neuropsychologischen Hochschulambulanz an der Universität des Saarlandes behandelt. Das benutzte Programm kann aber auch im Home-Training von Betroffenen verwendet werden, die in abgelegenen ländlichen Regionen wohnen oder keinen Behandlungsplatz für diese Therapie bekommen. Für die Therapie zu Hause ist lediglich ein PC mit einem Internetzugang nötig.
„Mit dieser Form der ‚hybriden‘ Therapie könnten in Zukunft noch viel mehr Betroffene behandelt werden, bei denen möglichst zu Beginn eine neuropsychologische Diagnose gestellt wird. Da jährlich mehrere zehntausende Menschen von einem Gesichtsfeld-Ausfall betroffen sind, liegt hier ein enormes Potential, um diesen Menschen eine Rückkehr ins Berufsleben zu ermöglichen“, sagt Georg Kerkhoff.
Die Ergebnisse der Studie hat Georg Kerkhoff, Professor für Neuropsychologie der Universität des Saarlandes, gemeinsam mit Antje Kraft vom Zentrum für Ambulante Neuropsychologie und Verhaltenstherapie in Berlin in der Fachzeitschrift „Brain Sciences“ veröffentlicht.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Dr. Georg Kerkhoff
Klinische Neuropsychologie / Neuropsychologische Hochschulambulanz
Universität des Saarlandes
Tel.: +49 681 302-57380
E-Mail: kerkhoff@mx.uni-saarland.de
Originalpublikation:
Brain Sciences 2024, 14(3), 259: https://doi.org/10.3390/brainsci14030259
Bilder
Georg Kerkhoff, Professor für Klinische Neuropsychologie der Universität des Saarlandes
Oliver Dietze
Universität des Saarlandes
Georg Kerkhoff, Professor für Klinische Neuropsychologie der Universität des Saarlandes
Oliver Dietze
Universität des Saarlandes
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch