01.06.2022 15:00
Neues zum fraktalen Energiespektrum von Bloch-Elektronen
UR-Physiker:innen veröffentlichen Studie in Nature Communications
Wie verhalten sich Elektronen in einem Kristall, wenn man diese einem starken Magnetfeld aussetzt? Welche Energien können die Elektronen in so einem System annehmen? Während für Elektronen in einem Kristall, z.B. Silizium, ohne Magnetfeld, die erlaubten Energiezustände in Energiebändern liegen, findet man für freie Elektronen im starken Magnetfeld diskrete Energiewerte, die Landau-Niveaus. Die Kombination beider Situationen ist theoretisch äußerst schwierig und beschäftigte Physiker im 20. Jahrhundert einige Jahrzehnte lang, bis schließlich Douglas Hofstadter das Problem im Jahre 1976 (übrigens in Regensburg) erstmalig numerisch löste und graphisch darstellte. Das Ergebnis war ein faszinierendes fraktales Energiespektrum, das aufgrund seiner prägnanten Erscheinung fortan als “Hofstadters Schmetterling” bezeichnet wurde.
Die experimentelle Bestätigung dieser Quantenfraktale würde in natürlichen Kristallen Magnetfelder von vielen tausend Tesla erfordern, die im Labor unerreichbar sind. Erst in künstlich hergestellten Kristallstrukturen mit größeren Gitterkonstanten im Bereich von 100 Nanometern konnten bei extrem tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt Signaturen dieser fraktalen Energiestruktur in niederdimensionalen Halbleitern und in sog. Moiré-Gittern auf Basis des zweidimensionalen Materials Graphen beobachtet werden.
Jetzt gelang es einem Forscherteam der Arbeitsgruppe von PD Dr. Jonathan Eroms am Lehrstuhl von Prof. Dr. Dieter Weiss in Zusammenarbeit mit Theoretiker:innen der Universität Hamburg rund um Prof. Dr. Daniela Pfannkuche zu zeigen, dass dieses fraktale Energiespektrum auch bei höheren Temperaturen charakteristische Spuren hinterlässt, und so dem Bild der Elektronendynamik in Übergittern einen weiteren Aspekt hinzuzufügen. Als Basis-Material diente wiederum Graphen, dem durch das Zusammenspiel zweier Gate-Elektroden eine periodische Modulation mit einer Gitterkonstanten von ca. 40 Nanometern aufgeprägt wurde. Der Vorteil einer solchen Probenstruktur: Die Stärke des Übergitters lässt sich durch Anlegen verschiedener Gate-Spannungen einstellen, was z.B. bei Moiré-Übergittern nicht möglich ist. Nun zeigen sich in den elektronischen Bändern des künstlichen Kristalles zwei verschiedene Widerstandsoszillationen, die hier erstmals gleichzeitig in einer Probe gefunden wurden: Zum einen die temperatur-robusten Quantenoszillationen – sogenannte Brown-Zak Oszillationen, und zum anderen Kommensurabilitätsoszillationen, auch Weiss-Oszillationen genannt, die hier die Stärke der Brown-Zak Oszillationen beeinflussen. Der erhöhte Leitfähigkeitsbeitrag, der sich durch ausgedehnte Energiebänder im Hofstadter Spektrum ergibt, wird bei der sogenannten Flachbandbedingung der Weiss-Oszillationen wieder unterdrückt, bei der klassisch gesehen der Elektronenorbit im Magnetfeld eine zur Übergitter-Periode kommensurable Bahn definiert.
Diese neuen Erkenntnisse des Zusammenspiels zweier Effekte der Elektronendynamik in periodischen Strukturen wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Die Forscherinnen und Forscher hoffen, in Zukunft noch weitere Einblicke in die Physik der Übergitter zu erhalten. Denkbar wäre es mit der demonstrierten Technik und unter Verwendung spezieller Übergittergeometrien die Bandstruktur von Graphen nach Belieben gezielt zu formen, wodurch sich prinzipiell neue und maßgeschneiderte elektronische Eigenschaften realisieren ließen.
Originalpublikation:
Huber, R., Steffen, M.-N., Drienovsky, M., Sandner, A., Watanabe, K., Taniguchi, T., Pfannkuche, D., Weiss, D., Eroms, J., (2022) Band conductivity oscillations in a gate-tunable graphene superlattice. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-022-30334-3
https://doi.org/10.1038/s41467-022-30334-3
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch