27.04.2021 14:34
NeutrobodyPlex – NMI entwickelt Testsystem zur Überwachung des Immunstatus nach Corona-Infektion
Am NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut in Reutlingen entwickelte die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Ulrich Rothbauer einen Nanobody, mit dem sich eine schützende (neutralisierende) Immunantwort nach einer SARS-CoV-2-Infektion bzw. -Impfung nachweisen lässt. Anwendung findet der Nanobody NM1267 bereits in dem Testsystem NeutrobodyPlex. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler veröffentlichten ihre Studienergebnisse heute in der Fachzeitschrift EMBO Reports.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Nanobodies – kleine Helfer mit großem Potenzial
Nanobodies leiten sich von Einzeldomänen-Antikörpern ab, wie sie in Alpakas oder Dromedaren vorkommen. Grundsätzlich verhalten sich Nanobodies ähnlich wie herkömmliche Antikörper, sie haben jedoch entscheidende Vorteile. „Nanobodies sind deutlich kleiner und stabiler als Antikörper. Darüber hinaus lassen sie sich einfach und kostengünstig herstellen,“ beschreibt Prof. Rothbauer die Vorzüge. Die NMI-Forscherinnen und -Forscher gewinnen die Nanobodies aus den B-Lymphozyten immunisierter Alpakas. Nach Übertragung der Nanobody-DNA in Bakterien lassen sich die kleinen Bindungsmoleküle schnell und effizient im Labor produzieren.
In der Studie wurden Nanobodies entwickelt, die unterschiedliche Bereiche innerhalb der Rezeptorbindedomäne (RBD) von SARS-CoV-2 erkennen. Die RBD ist ein Teil des Spike-Proteins, welches auf der Oberfläche des SARS-CoV-2-Virus sitzt. Sie spielt eine besondere Rolle, da die RBD vom Virus genutzt wird, um an menschliche Zellen anzudocken und in die Zelle einzudringen. Die schützenden, neutralisierenden Antikörper, wie sie nach einer Infektion oder Impfung gebildet werden, richten sich ebenfalls gegen genau diese virale Struktur. „Das Ziel unserer Untersuchung war es, einen Test zu entwickeln, mit dem man einfach und schnell bestimmen kann, ob eine Person nach Infektion mit SARS-CoV-2 neutralisierende Antikörper gebildet hat,“ erklärt Teresa Wagner, Wissenschaftlerin in der Gruppe Rekombinante Antikörpertechnologien am NMI und Erstautorin der Studie.
Nanobodies im Einsatz
Nach der Auswahl der zwei bindungsstärksten Nanobodies, die an verschiedene Bereiche der RBD binden, wurden diese miteinander verbunden und in einen kompetitiven serologischen Bindungstest integriert, dem NeutrobodyPlex. Durch die gezielte Verdrängung mit dem Nanobody, kann man die Menge neutralisierender Antikörper aus Serumproben infizierter oder geimpfter Personen bestimmen. Im Vergleich zu herkömmlichen Antikörpertests ermöglicht der NeutrobodyPlex eine detaillierte Klassifizierung der neutralisierenden Antikörpermenge. Damit lässt sich beispielsweise überprüfen, ob eine infizierte Person Antikörper gebildet hat, die vor einer erneuten Infektion schützen, aber auch der Erfolg einer Impfung lässt sich beurteilen. „Die indirekte Messung der Antikörpermenge liefert schnell Ergebnisse in einer Vielzahl von Proben und es werden nicht wie bisher Labore der Sicherheitsstufe S3 für einen viralen Neutralisationstest benötigt“, erklärt Prof. Rothbauer. Eingesetzt wird der patentierte Bindungstest nun im Labor von Dr. Nicole Schneiderhan-Marra, Leiterin der Gruppe Multiplexe Immunoassays am NMI. Gleichzeitig kommt der NeutrobodyPlex bereits bei Serumanalysen zum Einsatz, die vom Zentrum für klinische Transfusionsmedizin in Tübingen durchgeführt werden. Blutproben von Patienten und geimpften Personen könnten dort untersucht werden.
Ermöglicht wurde die Entwicklung des NeutrobodyPlexT durch die schnelle Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg.
Publikation
Wagner et al. (2021). NeutrobodyPlex – Nanobodies to monitor a SARS-CoV-2 neutralizing immune response. EMBO Reports https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/embr.202052325.
Über das NMI
Das NMI Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut in Reutlingen ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung und betreibt anwendungsorientierte Forschung an der Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften. Es verfügt über ein einmaliges, interdisziplinäres Kompetenzspektrum für F&E- sowie Dienstleistungsangebote für regional und international tätige Unternehmen. Dabei richtet sich das Institut gleichermaßen an die Gesundheitswirtschaft sowie Industriebranchen mit werkstofftechnischen und qualitätsorientierten Fragestellungen wie Fahrzeug-, Maschinen- und Werkzeugbau.
Das Forschungsinstitut gliedert sich in drei Geschäftsbereiche, die durch ein gemeinsames Leitbild miteinander verbunden sind: Die Suche nach technischen Lösungen erfolgt stets nach höchsten wissenschaftlichen Standards. Im Geschäftsfeld Pharma und Biotech unterstützt das NMI die Entwicklung neuer Medikamente mit biochemischen, molekular- und zellbiologischen Methoden. Der Bereich Biomedizin und Materialwissenschaften erforscht und entwickelt Zukunftstechnologien wie die personalisierte Medizin und Mikromedizin für neue diagnostische und therapeutische Ansätze. Im Fokus des Dienstleistungsangebotes steht für Kunden die Strukturierung und Funktionalisierung von Werkstoffen und deren Oberflächen. Im Geschäftsfeld Analytik und Elektronenmikroskopie werden analytische Fragestellungen beantwortet.
Über die Landesgrenzen hinaus ist das NMI für sein Inkubatorkonzept für Existenzgründer mit bio- und materialwissenschaftlichem Hintergrund bekannt.
www.nmi.de
Das NMI Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut in Reutlingen wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg unterstützt und ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg, einem Zusammenschluss von 14 außeruniversitären und wirtschaftsnahen Forschungsinstituten.
www.innbw.de
Pressekontakt
Sarah Link
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut
an der Universität Tübingen
Tel.: +49 7121 51530-842
E-Mail: presse@nmi.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ulrich Rothbauer
Originalpublikation:
https://doi.org/10.15252/embr.202052325
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
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