Tübinger Studie macht Hoffnung auf wirksamen Malaria-Impfstoff



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04.05.2021 11:30

Tübinger Studie macht Hoffnung auf wirksamen Malaria-Impfstoff

Am Universitätsklinikum Tübingen führte die klinische Studie unter der Leitung von Professor Dr. Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin, Humanparasitologie und Dr. Rolf Fendel, Forschungsgruppenleiter am Institut für Tropenmedizin, zu positiven Ergebnissen. Die Forschergruppe des Instituts und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) konnte zeigen, dass der Impfstoff „PfSPZ-CVac“, der in Tübingen gemeinsam mit dem Biotechnologieunternehmen Sanaria entwickelt wird, einen Schutz von 77 Prozent gegenüber heterologen Malariaparasiten bewirkt. Aktuell ist die Studie in dem renommierten Wissenschaftsjournal „Nature Communications“ publiziert.

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Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
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Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Bei „PfSPZ-CVac“ handelt es sich um einen Lebendimpfstoff, bestehend aus infektiösen Malariaparasiten, die dem Probanden injiziert werden. Gleichzeitig wird ein Malariamedikament gespritzt. Die Parasiten gelangen zunächst in die Leber und wandern von dort aus nach sieben Tagen ins Blut. Sobald die Parasiten die Leber verlassen, tötet das Medikament diese sofort ab. Somit hat das Immunsystem der Geimpften genügend Zeit, eine hochspezifische und wirksame Immunität gegen die Parasiten aufzubauen.

„Mit dieser Studie haben wir einen neuen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung eines erfolgreichen Malariaimpfstoffs erreicht. Mit nur drei Immunisierungen innerhalb von vier Wochen erzielten wir einen sehr guten Schutz gegen Malaria“, erläutert Professor Peter Kremsner. So konnte sein Team ein neues Immunisierungsschema entwickeln, das die Impfstoffgabe im Vergleich zu vorherigen Studien deutlich reduziert. Mussten Probanden zuvor noch insgesamt 13-mal zur vollständigen Immunisierung erscheinen, konnte die Anzahl der Visiten bis zur vollständigen Immunisierung jetzt auf drei reduziert werden. Des Weiteren konnte das Forschungsteam zeigen, dass der Schutz gegen heterologe Parasiten ebenfalls vorhanden ist – also gegen solche Parasiten, die gegenüber den zur Immunisierung verwendeten Parasiten genetisch sehr unterschiedlich sind (für die Impfung wurden Parasiten aus Afrika verwendet, für die Belastungsinfektion Parasiten aus Südamerika).

Der Nachweis der Wirksamkeit wurde mit Hilfe der in Tübingen im Rahmen eines DZIF-Projekts entwickelten kontrollierten humanen Malariainfektion (Belastungsinfektion) erbracht. Hierbei werden die Probanden nach Immunisierung mit Parasiten infiziert. Ist die Immunisierung gegen die Parasiten erfolgreich, werden die Parasiten vom Immunsystem gezielt abgetötet. Falls der Immunschutz unvollständig ist und die Parasiten sich vermehren, werden die Probanden bereits vor Auftreten von Krankheitssymptomen behandelt. In der durchgeführten Studie waren zehn von 13 geimpften Probanden gegen die Infektion vollständig immun.

„Durch den Impfstoff werden im Körper eine hohe Menge verschiedener Antikörper gebildet, die sowohl die injizierten Parasiten als auch Antigene des darauffolgenden Leberstadiums erkennen können. Diese Antikörper sind wahrscheinlich zusätzlich zu einer spezifischen zellulären Immunantwort für die schützende Immunantwort verantwortlich“, erklärt Dr. Rolf Fendel.

Mit geschätzt 229 Millionen Infektionen und 409.000 Todesfällen weltweit in 2019 zählt Malaria zu den weltweit wichtigsten und gefährlichsten Infektionskrankheiten. Sie wird durch Parasiten verursacht, die durch die Stiche von infizierten weiblichen Mücken auf den Menschen übertragen werden. Kinder unter fünf Jahren sind die am stärksten gefährdete Gruppe, die von Malaria betroffen ist; 2019 entfielen 67 Prozent (274.000) aller Malaria-Todesfälle weltweit auf diese Gruppe.

Originaltitel der Publikation: Zita Sulyok et. al. Heterologous protection against malaria by a simple chemoattenuated PfSPZ vaccine regimen in a randomized trial. Nature Communications (2021)

Über Sanaria

Sanaria ist ein Biotechnologie-Unternehmen mit Sitz in Rockville (USA), das gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Tübingen Impfstoffe zum Schutz vor Malaria entwickelt. Die Impfstoffe von Sanaria haben sich als hochgradig schützend gegen Plasmodium falciparum-Infektionen beim Menschen erwiesen. Die Impfstoffe von Sanaria sollen zur Vorbeugung von Malaria bei Einzelpersonen und in Kombination mit anderen Malariakontrollmaßnahmen eingesetzt werden, um die Übertragung von Malaria zu stoppen.

Über das DZIF

Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) koordiniert translationale Infektionsforschung in Deutschland und richtet sie strategisch aus. Seine Mission ist es, Ergebnisse aus der infektiologischen Grundlagenforschung in die klinische Forschung zu überführen und zu den Patienten zu bringen. 35 DZIF-Forschungseinrichtungen arbeiten gemeinsam gegen die weltweite Bedrohung durch Infektionskrankheiten. Der Standort Tübingen koordiniert den Forschungsbereich Malaria mit Standortsprecher Prof. Peter Kremsner, bei den Forschungsbereichen „Gastrointestinale Infektionen“, „Krankenhauskeime und Antibiotikaresistente Bakterien“ sowie „Neue Antibiotika“ sind Co-Koordinatoren am Standort tätig.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik
Innere Medizin VII
Institut für Tropenmedizin, Reisemedizin, Humanparasitologie
Prof. Dr. Peter Kremsner
Wilhelmstraße 27, 72074 Tübingen
Tel. 07071 29- 87179
peter.kremsner@uni-tuebingen.de


Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41467-021-22740-w
DOI: 10.1038/s41467-021-22740-w


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW