25.02.2021 11:13
Computertraining gegen Traumasymptome
Ein Computertraining zusätzlich zu einer Psychotherapie könnte helfen, die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu mindern. Das zeigten Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum und ihre Kooperationspartner in einer randomisierten kontrollierten klinischen Studie mit 80 PTBS- Patientinnen und -Patienten. Mit dem computerisierten Interpretationstraining lernten die Betroffenen, wiederkehrende und belastende Traumasymptome weniger stark negativ zu bewerten und stattdessen als normal und Teil der Verarbeitung anzusehen.
Die Ergebnisse beschreibt ein Team um Dr. Marcella Woud und Dr. Simon Blackwell vom Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie zusammen mit der Gruppe um Prof. Dr. Henrik Kessler von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums Bochum in der Zeitschrift Psychotherapy and Psychosomatics, online veröffentlicht am 23. Februar 2021.
Ein häufiges Symptom der posttraumatischen Belastungsstörung sind Intrusionen. Bilder des traumatischen Erlebnisses dringen plötzlich und unkontrollierbar wieder in das Bewusstsein, oft einhergehend mit starken sensorischen Eindrücken wie den Geräuschen oder bestimmte Gerüchen am Unfallort, wodurch es sich für die Patientinnen und Patienten so anfühlt, als ob sie das Trauma erneut erleben. „Das Erleben dieser Intrusionen bewerten die Patienten sehr negativ; sie haben Angst, den Verstand zu verlieren“, erklärt Marcella Woud. „Das Gefühl, keine Kontrolle über die Erinnerungen zu haben und das Erleben von verschiedensten negativen Emotionen, die mit Intrusionen einhergehen, machen diese noch belastender, was wiederum ihre negative Bewertung verstärkt.“
Satzvervollständigung hilft, Symptome neu zu interpretieren
Traumatherapien adressieren den Aspekt der Neubewertung daher gezielt. Das Bochumer Team wollte herausfinden, ob sich die Symptome durch ein Computer-basiertes Interpretationstraining zusätzlich reduzieren lassen und dadurch gleichzeitig mehr zu den zugrundeliegenden Mechanismen von negativen Bewertungen verstehen. Bei dem Training bekommen die Patienten Trauma-relevante Sätze am Computer gezeigt, die sie vervollständigen müssen. Zum Beispiel: „Seit dem Ereignis reagiere ich manchmal ängstlicher als sonst. Diese Reaktion ist ver_tändli_h.“ Oder: „Häufig denke ich, dass ich selbst Schuld an dem Trauma habe. So zu denken ist un_egründ_t.“ Aufgabe der Patienten ist es, die fehlenden Buchstaben des finalen Wortfragments zu ergänzen und damit den Sätzen systematisch eine positive Bewertung zu geben. Ziel ist es, ihnen zu zeigen, dass ihre Symptome normal und Teil des Heilungsprozesses sind.
Etwa die Hälfte der Studienteilnehmer absolvierte dieses sogenannte „Cognitive Bias Modification Appraisal“-Training, die andere Hälfte bekam ein Plazebo-Kontrolltraining – ein visuelles Konzentrationstraining –, das nicht auf eine Reduktion der Symptome ausgelegt war. Beide Trainings fanden in den ersten beiden Wochen der stationären Behandlung in der Klinik statt, mit jeweils vier Sitzungen pro Woche. Eine Sitzung dauerte etwa 20 Minuten. Während sowie nach dem Klinikaufenthalt wurden verschiedene Messungen abgenommen, um Symptomveränderungen zu erfassen.
Weniger Traumasymptome
Patienten, die an dem Interpretationstraining teilgenommen hatten, bewerteten Traumasymptome wie Intrusionen und ihre Gedanken bezüglich des Traumas anschließend weniger negativ als Patienten der Kontrollgruppe; außerdem zeigten sie in verschiedenen zusätzlichen Testverfahren weniger Symptome. „Wir schließen daraus, dass das Training zu funktionieren scheint, zumindest konnten wir kurzfristige Effekte nachweisen“, resümiert Marcella Woud. „Unsere Stichprobe war nicht darauf ausgelegt, langfristige Effekte zu untersuchen, das müssen wir in künftigen Studien tun, in denen wir dann auch zum Ziel haben werden, die zugrundeliegenden Mechanismen des Trainings besser zu verstehen.“
Zusätzlich zu den Verhaltensdaten wurde auch die Konzentration des Stresshormons Cortisol mittels Haarproben der Patienten erhoben. Eine Abnahme der negativen Bewertung von Traumasymptomen ging mit einer Abnahme des Stresshormons einher. Diesen Zusammenhang will das Team in weiteren Studien näher erforschen.
Transparente Studiendurchführung
Bei der Studie handelte es sich um eine prä-registrierte Studie. Um maximale Transparenz zu gewährleisten, meldete das Team die Untersuchung vorab online als klinische Studie an und veröffentlichte alle relevanten Hypothesen und Methoden in einem Protokollpaper. Im Rahmen des Open Science Framework stehen die anonymisierten Daten nun auch anderen Gruppen zur Verfügung.
Förderung
Die Studie wurde durch ein Postdoktoranden-Stipendium der Daimler und Benz Stiftung finanziert (32-12/4), welches Marcella Woud eingeworben hatte.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Marcella Woud
Klinische Psychologie und Psychotherapie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 21502
E-Mail: marcella.woud@rub.de
Originalpublikation:
Marcella L. Woud, Simon E. Blackwell, Lorika Shkreli, Felix Würtz, Jan C. Cwik, Jürgen Margraf, Emily A. Holmes, Susann Steudte-Schmiedgen, Stephan Herpertz, Henrik Kessler: The effects of modifying dysfunctional appraisals in Post-Traumatic stress disorder using a form of cognitive bias modification: Results of a randomized controlled trial in an inpatient setting, in: Psychotherapy and Psychosomatics, 2021, DOI: 10.1159/000514166
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Psychologie
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Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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