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22.03.2023 10:21
Erstmals Neutrinos aus einem Teilchenbeschleuniger nachgewiesen
Entdeckung wird helfen, die Natur dieses allgegenwärtigen Teilchens besser zu verstehen
Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat zum ersten Mal Neutrinos nachgewiesen, die zuvor in einem Teilchenbeschleuniger bei sehr hohen Energien erzeugt wurden. Sie werteten dazu Messungen des neuen Experiments FASER aus, welches im Jahr 2022 am CERN mit dem Start der dritten Laufzeit des Large Hadron Collider (LHC) erstmals Daten genommen hat. Vorgestellt wurde das Ergebnis im Rahmen der Konferenz „57. Rencontres de Moriond“.
Neutrinos sind allgegenwärtige Elementarteilchen, die unter anderem bei Fusionsprozessen in der Sonne oder radioaktiven Zerfällen in Kernreaktoren entstehen. Sie wurden erstmals 1956 entdeckt. „Neutrinos sind die am schwächsten wechselwirkenden Elementarteilchen. Jede Sekunde durchdringen Milliarden von ihnen unseren Körper, ohne dass wir das merken. Deshalb werden Neutrinos auch als Geisterteilchen bezeichnet“, erläutert Prof. Dr. Matthias Schott, Experimentalphysiker am Exzellenzcluster PRISMA+ der JGU. „Auch bei Teilchenkollisionen in Beschleunigern entstehen milliardenfach Neutrinos, aber bis jetzt konnten wir sie noch nie detektieren. Das ist uns jetzt mit FASER erstmals gelungen. Von diesen Experimenten erhoffen wir uns weitere Einblicke in die Natur dieser mysteriösen Teichen, vor allem was ihre Masse angeht – ein großes Rätsel der modernen Physik.“
Eine neue Quelle für Neutrinos
Mit ihrem Experiment haben die Forschenden somit Neutrinos aus einer ganz neuen – künstlichen – Quelle nachgewiesen. Die von FASER entdeckten Neutrinos sind die energiereichsten, die jemals in einem Labor erzeugt wurden, insgesamt wurden in der aktuellen Studie 153 Neutrino Ereignisse nachgewiesen. Die Arbeit könnte daher auch Licht auf kosmische Neutrinos werfen, die große Entfernungen zurücklegen, bevor sie auf die Erde treffen, und so ein Fenster zu weit entfernten Teilen des Kosmos öffnen, die sonst nicht zugänglich wären.
Generell verfolgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit FASER – das steht für „ForwArd Search ExpeRiment“ – einen noch breiteren Ansatz: Sie wollen generell nach neuen leichten und schwach wechselwirkenden Teilchen suchen, die bei der Kollision von Protonen entstehen könnten. „Mit einem 5 Meter langen Detektor ist FASER ein vergleichsweise kleines Experiment“, sagt Matthias Schott. „Und doch eine sehr wertvolle Ergänzung des Physik-Programms am CERN.“
Denn die vier großen LHC-Detektoren können solche Teilchen – zu denen auch Neutrinos gehören – nicht „sehen“, da diese ungehindert durch das Detektormaterial hindurch fliegen und so unerkannt entkommen. Erst hunderte von Metern weiter könnten sie sich in detektierbare Teilchen, wie Elektronen und Positronen, umwandeln, und damit für Detektoren sichtbar werden.
Deshalb hat die FASER Kollaboration ihren Detektor 480 Meter weit entfernt von dem Punkt aufgebaut, an dem Protonen im ATLAS Detektor mit großer Wucht kollidieren – in einem ungenutzten Servicetunnel des LHC. Dieser befindet sich in Verlängerung der Strahlachse, also in fast direktem Weg zum Kollisionspunkt, denn die leichten Teilchen fliegen vor allem in diese Richtung davon. Der Aufbau gelang in der Rekordzeit von nur etwa einem Jahr zwischen Mai 2020 und April 2021 – erste Daten konnten dann mit Beginn der dritten LHC Laufzeit im Sommer letzten Jahres genommen werden. Teile des FASER Detektors wurden von der Gruppe von Matthias Schott im PRISMA Detektorlabor gefertigt und 2021 ans Forschungszentrum CERN gebracht und dort zusammengebaut.
„Schon nach kurzer Laufzeit hat FASER ein beeindruckendes Ergebnis geliefert “, resümiert Matthias Schott, der zudem Vorsitzender des Collaboration Boards von FASER ist. „Neben Neutrinos, die im Standardmodell der Teilchenphysik vorkommen, wollen wir damit hauptsächlich solche Teilchen suchen, die über das Standardmodell hinausgehen – allen voran die mysteriöse dunkle Materie. Sie macht den bei weitem größten Teil der Materie im Universum aus, aber noch nie konnten wir sie direkt nachweisen.“
Die FASER-Kollaboration besteht aus 85 Mitgliedern aus 22 Einrichtungen und 9 Ländern.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Matthias Schott
Experimentelle Teilchen- und Astroteilchenphysik (ETAP)
Institut für Physik und Exzellenzcluster PRISMA+
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-20399
E-Mail: schottm@uni-mainz.de
https://www.lichtenberg.physik.uni-mainz.de/
Weitere Informationen:
https://presse.uni-mainz.de/erstmals-neutrinos-aus-teilchenbeschleuniger-nachgew…
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Physik / Astronomie
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