Hallesches Forscherteam beweist erstmals intakte Funktion der Vestibular-Rezeptoren nach Gehörtumor-Entfernung



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11.11.2021 11:32

Hallesches Forscherteam beweist erstmals intakte Funktion der Vestibular-Rezeptoren nach Gehörtumor-Entfernung

Jährlich wird bei einigen Dutzend Menschen in Deutschland in der Hörschnecke des Innenohrs, der sogenannten Cochlea, ein Schwannom entdeckt. Eine operative Entfernung des Tumors ist möglich. Aber eine solche Verletzung der nur erbsengroßen Cochlea, würde normalerweise – so die bisherige Lehrmeinung – zu einem Aus-fall oder einer erheblichen Störung der Rezeptoren des Gleichgewichtsorgans führen. Ein internationales Team um Prof. Dr. Stefan Plontke von der Universitätsmedizin Halle hat nun erstmals gezeigt, dass – entgegen der bisherigen Annahme – die Rezeptoren für den Gleichgewichtssinn ihre Funktionalität unabhängig von dem Vorhandensein der Gehörschnecke behalten.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

An dieser Stelle im Ohr ist es eine sehr seltene Unterform der bekannteren Vestibularis-Schwannome, auch Akustikusneurinome genannt, die üblicherweise im inneren Gehörgang wachsen. Solche Tumoren in der Gehörschnecke sind zwar meist gutartig und sehr langsam wachsend, zerstören aber die Sinneszellen, die die Schallsignale in elektrische Nervenimpulse umwandeln. Die Betroffenen leiden in der Folge unter Hörverlust und eventuell auch Schwindel.

Die beiden Rezeptorsysteme – eins für das Hören im Hörorgan (Cochlea) und eins für das Gleichgewicht im Vestibularsystem – sind im sogenannten häutigen Labyrinth im Innenohr angesiedelt. Sie teilen sich die gleichen Flüssigkeiten mit einer bestimmten Ionenkonzentration, die für eine normale Funktion der Rezeptoren notwendig ist. Bisher hat man angenommen, dass bei einer Verletzung oder auch Entfernung der Cochlea aufgrund der Operation auch das andere System seine Funktion verliert. „Die Operation im Ohr erfordert höchste Präzision und sehr viel Erfahrung. Die Tumoren im Innenohr sind meist nur wenige Millimeter groß. Bei der Operation müssen aber oftmals wesentliche Teile oder auch fast die gesamte Hörschnecke entfernt werden. Unsere Messungen von allen fünf Gleichgewichts-Rezeptoren bei 27 Patientinnen und Patienten vor und nach den operativen Eingriffen haben aber bewiesen, dass trotz einer Verletzung des Hör-Systems die Rezeptoren des Gleichgewichts-Systems eigenständig weiterhin funktionieren“, sagt Prof. Dr. Stefan Plontke, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Wieso dies so sei, müsse weiterhin erforscht werden. Ein Teil der Erklärung sei aber auch die spezielle Operationstechnik, die in Halle angewendet werde.

Die Studie liefert neue Erkenntnisse für das Verständnis zur Funktion und Operation des Innenohres und eröffnet somit neue Perspektiven für die Behandlung von betroffenen Patientinnen und Patienten, nicht nur mit Vestibularis-Schwannom, und sei entsprechend weltweit in Fachkreisen auf große Resonanz gestoßen. Denkbar seien daraus abgeleitet auch deutliche Verbesserun-gen von Geräten wie Cochlea-Implantaten (CI), die mit ihrer peripheren Stimula-tion dafür sorgen, dass die Betroffenen wieder hören können, so die Autoren.

Die Studienergebnisse wurden im renommierten Nature-Fachjournal „Communications Medicine“ veröffentlicht.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Stefan Plontke
Telefon: 0345 557 1840
E-Mail: stefan.plontke@uk-halle.de


Originalpublikation:

„A case series shows independent vestibular labyrinthine function after major surgical trauma to the human cochlea“, https://www.nature.com/articles/s43856-021-00036-w, DOI: 10.1038/s43856-021-00036


Weitere Informationen:

http://www.medizin.uni-halle.de/hno
http://www.medizin.uni-halle.de/presse


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch


Quelle: IDW