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14.08.2023 09:28
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Möglicher neuer Therapieansatz für schwer erkrankte Männer mit COVID-19
Enzym im Hormonhaushalt als potentiellen Angriffspunkt identifiziert
Rückblickende Analysen epidemiologischer Daten haben wiederholt gezeigt, dass die COVID-19-Mortalität bei Männern im Vergleich zu Frauen höher ist. Allerdings waren bislang die Ursachen für die beobachteten Geschlechtsunterschiede in COVID-19 weitgehend unbekannt.
Nun hat ein internationales Forscherteam genetische Daten von 2.866 COVID-19-Patient*innen analysiert und im CYP19A1-Gen eine Mutation identifiziert, die mit einem höheren Hospitalisierungsrisiko bei männlichen Patienten assoziiert ist. Das Gen produziert das Enzym Aromatase, das unter anderem für die Verstoffwechselung von Testosteron zuständig ist. Auch in Lungenproben verstorbener COVID-19-Patient*innen zeigte sich bei männlichen Patienten eine erhöhte Aktivität des CYP19A1-Gens im Vergleich zu weiblichen Patientinnen. Diese Befunde deuten darauf hin, dass dieses Gen die geschlechtsspezifischen Ausprägungen der COVID-19-Erkrankung beeinflusst.
„Diese Zusammenarbeit zeigt, dass genetische Untersuchungen wichtig sind, um unser Verständnis für molekulare Ursachen von viralen Erkrankungen und ihren Behandlungen zu verbessern.“, erklärt Professorin Alessandra Renieri von der Universität Siena, die die genetische COVID-19-Kohorte etabliert hat.
Präklinische Studien im Tiermodell bestätigten diese Beobachtungen. Die Behandlung von SARS-CoV-2-infizierten Tieren mit dem Aromatase-Hemmer Letrozol verbesserte die Langzeit-Lungenfunktion und unterstützte die Wieder- herstellung des hormonellen Gleichgewichts, insbesondere bei männlichen Tieren. Dies legt nahe, dass Aromatase-Hemmer eine vielversprechende therapeutische Strategie für die individuelle Behandlung männlicher COVID-19-Patienten darstellen könnten.
Professorin Gülşah Gabriel untersteicht die enorme Bedeutung der inter- nationalen und interdisziplinären Zusammenarbeit und betont: „Die Ergebnisse unserer collaborativen Studie könnten wichtige Hinweise für neue individu- alisierte Behandlungsstrategien gegen COVID-19 liefern“.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Gülşah Gabriel
guelsah.gabriel(at)leibniz-liv.de
Leibniz-Institut für Virologie, Hamburg
Tierärztliche Hochschule, Hannover
Originalpublikation:
Stephanie Stanelle-Bertram, Sebastian Beck, Nancy Kouassi Mounogou, Berfin Schaumburg, Fabian Stoll, Amirah Al Jawazneh, Zoé Schmal, Tian Bai, Martin Zickler, Georg Beythien, Kathrin Becker, Madeleine de la Roi, Fabian Heinrich, Claudia Schulz, Martina Sauter, Susanne Krasemann, Philine Lange, Axel Heinemann, Debby van Riel, Lonneke Leijten, Lisa Bauer, Thierry P.P. van den Bosch, Boaz Lopuhaä, Tobias Busche, Daniel Wibberg, Dirk Schaudien, Torsten Goldmann […] GEN-COVID Multicenter Study Group, Alessandra Renieri and Gülsah Gabriel. CYP19A1 mediates severe SARS-CoV-2 disease outcome in males. Cell Reports Medicine (August 11, 2023). https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2023.101152
Weitere Informationen:
https://www.leibniz-liv.de/de/aktuelles/presse/einzelansicht/archive/2023/articl…
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