17.03.2021 12:47
Parasitische Würmer: Ihr Leben ist weniger riskant als bisher vermutet
Forscher der Humboldt-Universität zu Berlin fanden heraus, dass sich die Infektionswahrscheinlichkeit eines Wurmes im Laufe seines Lebens verbessert
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Parasitische Würmer leben gefährlich. Noch bevor sie sich fortpflanzen können, laufen sie mehrfach Gefahr, einfach verdaut zu werden. Der Fischbandwurm etwa kann sich nur in einem Säugetier wie dem Menschen fortpflanzen. Als ersten Wirt infiziert er allerdings winziges Plankton, das von einem zweiten Wirt – kleinen Fischen – gefressen wird, die wiederum als Futter für größere Fische wie Forellen dienen. Diese landen dann schließlich im Magen eines Säugetiers, zum Beispiel des Menschen. Erst dann, im Darm eines Säugers, kann sich der Wurm fortpflanzen. Ein solch komplexer Lebenszyklus ist kühn, denn jedes Mal, wenn der Wurm einen neuen Wirt infiziert, kann er verdaut oder vom Immunsystem des Wirtes getötet werden. Sind parasitische Würmer übermässig risikofreudig? Eine neue Studie legt nahe, dass der Lebenszyklus von Würmern weniger riskant ist, als bislang gedacht.
Forscher der Humboldt-Universität zu Berlin verglichen die Infektionsraten aus Hunderten von Experimenten mit verschiedenen Spulwurm-, Bandwurm- und Kratzwurmarten. Dabei fanden sie heraus, dass sich die Infektionswahrscheinlichkeit eines Wurmes im Laufe seines Lebenszyklus verbessert. Die Würmer haben im zweiten Wirt höhere Infektionsraten als im ersten und noch höhere im dritten Wirt. Dieser Anstieg scheint durch das Wachstum des Wurms verursacht zu werden; größere Würmer hatten bessere Infektionsraten. Der Fischbandwurm infiziert also mit höchster Wahrscheinlichkeit den Menschen – seinen letzten Wirt – denn der Wurm wächst in Plankton und Fischen erheblich, bevor er als größere Larve dem Menschen begegnet.
Diese Erkenntnis erklärt auch ein weiteres Mysterium: warum Würmer in kleinen Wirten so stark wachsen. Der Fischbandwurm kann auf bis zu 10 Prozent der Körpermasse seines Plankton-Erstwirts heranwachsen. So groß zu werden, kann mehrere Wochen dauern – eine lange Zeit im Leben eines Planktons. So ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Wirt stirbt, bevor der Wurm sein Wachstum beendet hat. Durch dieses aggressive Wachstum ist der Wurm allerdings besser in der Lage, den nächsten Wirt zu infizieren. Obwohl es riskant ist, scheint das starke Wachstum in kleinen Wirten die Chancen für Würmer erheblich zu steigern, ihren gefährlichen Lebenszyklus beenden zu können.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dan Benesh
Humboldt-Universität zu Berlin
Molekulare Parasitologie
Philippstr. 13, Haus 14
10115 Berlin
mail: dbenesh82@gmail.com
Originalpublikation:
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2021.0142
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Maschinenbau, Medizin, Tier / Land / Forst
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
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