18.08.2021 12:00
Roboter erleichtern die menschliche Sprachproduktion
HU-Studie zur Interaktion mit humanoiden Robotern
Als soziale Begleiter:innen spielen Roboter eine immer größere Rolle – entsprechend ihrem immer häufigeren Einsatz in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, etwa beim Lernen oder in der Medizin. Die erfolgreiche Interaktion zwischen Mensch und Roboter wird deswegen immer wichtiger. Ein bedeutender Faktor für diese Interaktion ist die gesprochene Sprache, doch das bisherige Wissen über die kognitiven Grundlagen der Kommunikation mit Robotern ist noch beschränkt. Eine neue Studie von Wissenschaftler:innen der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und des Exzellenzclusters Science of Intelligence (SCIoI) zeigt, dass die gemeinsame Durchführung einer verbalen Aufgabe mit einem humanoiden, also menschenähnlichen Roboter die menschliche Sprachproduktion erleichtert.
In sozialen Umgebungen simulieren Menschen die Handlungen ihrer Interaktionspartner:innen; das bedeutet, dass sie auch die Handlungen ihres Gegenübers gedanklich planen und durchführen. Zum Beispiel aktiviert die Beobachtung der Handlung eines Aufgabenpartners automatisch motorische Repräsentationen im Gehirn der beobachtenden Person. Dies ermöglicht eine Vorhersage der Handlungen und damit eine reibungslose Koordination der eigenen Handlungen. Diese sogenannte Ko-Repräsentation von Partner:innen wurde jüngst auch in der verbalen Kommunikation nachgewiesen. Während des Sprechens, wenn wir die Worte wählen, die unsere beabsichtigte verbale Botschaft ausdrücken, ko-repräsentieren wir die Äußerungen unseres menschlichen Kommunikationspartners. Dies hat Konsequenzen für die eigene Sprachproduktion und die verbale Kommunikation.
Gilt dies auch für soziale humanoide Roboter? Um diese Frage zu beantworten, wurden sechsunddreißig junge Erwachsene mit einem sozial interaktiven humanoiden Roboter bekannt gemacht und absolvierten zusammen mit dem Roboter eine Bildbenennungs-Aufgabe. Die Teilnehmer:innen benannten eine Reihe von Bildern, in die Objekte der gleichen semantischen Kategorien (z.B. Fahrzeuge) eingebettet waren. Einige dieser Kategorien wurden gemeinsam mit dem Roboterpartner benannt, andere wurden allein von den Teilnehmer:innen benannt. In beiden Fällen war der Roboter physisch anwesend. Wurden Objekte aus Kategorien benannt, die gemeinsam mit dem Roboter benannt wurden, waren die Benennungszeiten schneller als bei Objekten aus Kategorien, die nur von den Teilnehmer:innen benannt wurden. Wenn hingegen die Aufgabe mit einem menschlichen Partner durchgeführt wurde, verlangsamten sich in dieser Bedingung die Benennungszeiten.
Die Ergebnisse zeigen, dass das verbale Verhalten eines Roboters ko-repräsentiert wird, jedoch anders als das eines Menschen. Während menschliches verbales Verhalten bis auf die Ebene des lexikalischen Zugangs simuliert wird, wodurch es zu Interferenzen mit der eigenen Sprechplanung kommt, scheint der lexikalische Zugang für den Roboter nicht simuliert zu werden. Stattdessen scheint die Robotersprache auf einer konzeptuellen Ebene simuliert zu werden. Dieses Mitdenken während der verbalen Kommunikation mit Robotern führt zu einer erleichterten Sprachproduktion bei den Proband:innen. Entscheidend ist, dass es sich hierbei nicht um einen reinen Präsenz-Effekt handelt, sondern um einen Effekt, der spezifisch für das Teilen einer Aufgabe mit einem Roboterpartner ist und nur dann beobachtet wurde, wenn die semantischen Kategorien zusammen mit dem Roboter benannt wurden.
Diese Erkenntnisse zeigen, dass das verbale Verhalten von Robotern während der Mensch-Roboter-Interaktion simuliert werden kann, und dass das Teilen einer verbalen Aufgabe mit einem Roboter zu einer Erleichterung des Sprechens führt. Die Ergebnisse bieten wichtige Einblicke in Kontexte, in denen die verbale Kommunikation mit Robotern vorherrschend ist. Das könnte auch von besonderer Bedeutung sein für Patient:innen mit Sprachverzögerungen und lexikalische Abrufschwierigkeiten, sowie in Bildungskontexten, in denen eine Verbesserung der Sprachproduktion erwünscht ist.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Olga Wudarczyk
Humboldt-Universität zu Berlin
Cluster of Excellence Science of Intelligence
wudarczo@hu-berlin.de
Dr. Anna Kuhlen
Neurocognitive Psychology
Humboldt-Universität zu Berlin
anna.kuhlen@hu-berlin.de
Prof. Dr. Rasha Abdel Rahman
Neurocognitive Psychology
Cluster of Excellence Science of Intelligence
Humboldt-Universität zu Berlin
rasha.abdel.rahman@hu-berlin.de
Originalpublikation:
Wudarczyk, O. A., Kirtay, M., Pischedda, D., Hafner, V. V., Haynes, JD., Kuhlen, A.K., & Abdel Rahman, R. Robots facilitate human language production. Scientific Reports, 18.08.2021
https://www.nature.com/articles/s41598-021-95645-9
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Gesellschaft, Informationstechnik, Pädagogik / Bildung, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch