31.08.2020 15:20
Sicher musizieren in Zeiten von Corona
Seit dem 31. August sind Musik-und Theaterinszenierungen in Thüringen auch in Innenräumen wieder gestattet. Welche Hygieneschutzmaßnahmen bei Proben und öffentlichen Auftritten wirken, zeigt ein mehrstufiges Experiment der Professuren Bauphysik und Industriedesign an der Bauhaus-Universität Weimar in Kooperation mit der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach sowie der Staatskapelle Weimar.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Das Singen sowie das Spielen von Blasinstrumenten stellt Musikerinnen und Musiker in Anbetracht der COVID-19-Pandemie vor große Herausforderungen: Um sich und andere zu schützen, gehören Desinfektion, häufiges Lüften und Abstand halten mittlerweile zu den Grundpfeilern eines jeden Hygienekonzeptes. Doch Musizieren mit Maske? Eine bedrückende Vorstellung, nicht nur für Konzertbesucherinnen und -besucher:
»Mund-Nasen-Bedeckungen helfen die Ausbreitung von infektiöser Atemluft zu mindern, beim Singen leidet jedoch die Klangqualität und für das Spielen von Blasinstrumenten sind diese gänzlich ungeeignet«, gibt Prof. Andreas Mühlenberend von der Professur Industriedesign an der Bauhaus-Universität Weimar zu bedenken. Um dennoch sicher zu musizieren, könnten spezielle Filter für Blechblasinstrumente sowie der »BauhausUniVisor«, beide unter seiner Leitung entwickelt und getestet, eingesetzt werden.
Den entscheidenden Impuls lieferte Prof. Gernot Süßmuth, Konzertmeister der Staatskapelle Weimar, der dringend nach einer praktikablen Lösung für das Problem suchte. Bereits vier Wochen später präsentierte Prof. Mühlenberend die ersten Prototypen: Die Filter bestehen aus herkömmlichem Zellstoff, welcher in eine wabenartige Form geschnitten und mit Hilfe von Klebeband vor dem Schallbecher des jeweiligen Blasinstrumentes bzw. vor dem Mundstück der Querflöte locker angebracht wird. Informationen und Schnittmuster stehen kostenfrei als Download zur Verfügung. Auch die Herstellungsanleitung des Visiers ist nach dem Prinzip des »Open Design« dank Prof. Jason M. Reizner (Bauhaus Form + Function Lab) über bffl.io frei verfügbar.
Luftausstoß reicht über einen Meter in den Raum
Die Wirksamkeit der prototypischen Filter sowie des »BauhausUniVisor« wurde zuvor in einem mehrstufigen Experiment an der Professur Bauphysik belegt: Mithilfe des Schlierenspiegels sowie des Background Oriented Schlieren (BOS) Verfahrens untersuchten die Weimarer Forscherinnen und Forscher, wie sich die Atemluft beim Singen und Musizieren – mit und ohne Maske bzw. Filter – ausbreitet. In Zusammenarbeit mit der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach und der Staatskapelle Weimar wurden verschiedene Holz- und Blechblasinstrumente sowie der Gesang eines Baritons und einer Sopranistin getestet. Dabei zeigte sich: Wie stark sich die Atemluft ausbreitet, hängt nicht nur von der Art des Instruments, sondern zugleich von der individuellen Spiel- bzw. Gesangstechnik sowie den physischen Eigenschaften der Musikerinnen und Musiker ab. Bis zu maximal etwa 1,1 Meter weit reichte die Atemluft beim Musizieren in den Raum. Besonders ausgeprägt waren der Atemausstoß beim Spielen von Querflöte (über das Mundstück geblasene Luft), Klarinette (am Mundstück entweichende Nebenluft), Oboe und Fagott (Abatmen zwischen den Phrasen) sowie beim Singen.
Filter reduzieren Luftströmung beim Musizieren
Durch den Einsatz eines einfachen Filters wird die Reichweite der Atemluft, die beim Spielen der Instrumente weit in den Raum geführt wird, stark reduziert. Besonders deutlich war der Effekt beim Querflötenspiel zu beobachten: Mithilfe des Zellstofffilters konnte die über das Mundstück geblasene Luft von 100 auf weniger als 15 cm Reichweite reduziert werden ohne akustische Einbußen zu verzeichnen. »Auch beim Spielen der Blechblasinstrumente war durch den Gebrauch der Filter nahezu kein Unterschied in der Klangausformung zu hören, weshalb diese mindestens während der Proben zum Einsatz kommen könnten«, schlussfolgert Lia Becher von der Professur Bauphysik, welche die Experimente an der Bauhaus-Universität Weimar leitete.
Diese Filter seien jedoch nur bei Blechblasinstrumenten sinnvoll, da hier die gesamte Atemluft aus dem Schallbecher entweicht, so die Forscherin weiter. Beim Spielen von Holzblasinstrumenten tritt die Atemluft hingegen auch aus den Tonlöchern und teilweise am Mundstück aus. Eine Ausnahme zum Einsatz des Filters bildet die Querflöte, da bei dieser ein Großteil der Atemluft über das Mundstück geblasen wird. Der Filter kann hier am Kopfstück montiert werden, um die Ausbreitung der über die Anblaskante geblasenen Luft zu reduzieren.
Auch Mund-Nasen-Bedeckungen sowie der »BauhausUniVisor« hatten beim Singen nachweislich einen eindämmenden Effekt auf die ausgestoßene Atemluft. Allerdings wurde der Ton hierbei gedämpft, weshalb diese ausschließlich für Proben geeignet seien, lautet das Fazit des Experiments.
Über die Messverfahren
Die Schlierenverfahren (Schlierenspiegel und BOS) sind optische Methoden zur Visualisierung und Messung von Raumluftströmungen. Bei diesen Verfahren werden Dichteunterschiede in der Luft visualisiert, welche im Fall der Untersuchungen auf Unterschiede in Lufttemperatur, -druck oder -feuchte zurückzuführen sind. Zu beachten ist, dass mit den vorgestellten Schlierenverfahren keine Aussagen zur Verbreitung von Tröpfchen oder Aerosolen getroffen werden können. Die dargestellten Auswertungen können demnach nur herangezogen werden, um zu ermitteln, wie weit und in welchem Ausmaß die – möglicherweise infektiöse – Atemluft beim Singen und Spielen der Instrumente unmittelbar in den Raum transportiert wird. Weiterhin muss der Winkel berücksichtigt werden, in dem das jeweilige Instrument gespielt wird, um einschätzen zu können, in welche Richtung die Luft aus dem Schallbecher entweicht.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Andreas Mühlenberend, Bauhaus-Universität Weimar, Professur Industriedesign, E-Mail: andreas.muehlenberend[at]uni-weimar.de
Prof. Dr.-Ing. Conrad Völker, Bauhaus-Universität Weimar, Professur Bauphysik, E-Mail: conrad.voelker[at]uni-weimar.de
Originalpublikation:
https://www.uni-weimar.de/fileadmin/user/fak/bauing/professuren_institute/Bauphy…
https://www.uni-weimar.de/fileadmin/user/fak/bauing/professuren_institute/Bauphy…
Weitere Informationen:
https://vimeo.com/431505952
https://vimeo.com/445131873
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Bauwesen / Architektur, Kunst / Design, Medizin, Musik / Theater
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
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