Wasserstoff-Energie stand am Anfang des Lebens

Wasserstoff-Energie stand am Anfang des Lebens


Teilen: 

02.03.2020 17:00

Wasserstoff-Energie stand am Anfang des Lebens

Evolutionsbiologie

Ein internationales Forschungsteam aus Deutschland, Frankreich und Japan unter Federführung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) meldet Fortschritte bei der Frage, wie das Leben entstand. Es können chemische Reaktionen sein, die durch Minerale an hydrothermalen Tiefseequellen katalysiert werden. Diese Reaktionen treiben heute noch den Stoffwechsel der primitivsten Lebensformen an. Und dass Wasserstoff sowohl der Schlüssel als auch der Treibstoff für die frühesten biochemischen Prozesse am Anfang des Lebens war, berichtet das Team jetzt in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution.

Seit der Entdeckung von hydrothermalen Schloten in der Tiefsee vor rund 40 Jahren stehen diese natürlichen chemischen Reaktoren im Fokus der Evolutionsforscher, die nach den Ursprüngen des Lebens suchen. Die Schlote stoßen heißes, mineralhaltiges Wasser aus. In ihm sind einfache, aber reaktionsfreudige chemische Stoffe wie Wasserstoffgas (H2) und Kohlendioxid (CO2) gelöst. Solche Bedingungen können die ersten biochemischen Reaktionen überhaupt begünstigt und somit auch die Entstehung die ersten freilebenden Zellen vorangetrieben haben.

Der Ausgangspunkt des primitiven Stoffwechsels der ersten Mikroben ist Kohlendioxid und Wasserstoffgas. Mikroben, die sich davon ernähren, wandeln die beiden Gase zunächst in Ameisensäure (Formiat), Acetate und Pyruvate (Salze der Essig- bzw. der Brenztraubensäure) um. Daraus stellen sie dann ihr gesamtes organisches Material mithilfe komplexer Reaktionsketten her. Nun berichtet das Team um die Düsseldorfer Chemikerin Dr. Martina Preiner am Institut für Molekulare Evolution an der HHU, dass genau diese Grundbausteine des Lebens ganz von alleine im Labor entstehen, wenn man H2 und CO2 in Gegenwart einfacher Mineralien unter hydrothermalen Bedingungen reagieren lässt.

Prof. Dr. William Martin, Leiter des Instituts für Molekulare Evolution, katalogisiert seit 20 Jahren die auffälligen Ähnlichkeiten zwischen metallkatalysierte Reaktionen im Stoffwechsel und in chemischen Reaktionen an hydrothermalen Quellen. Prof. Martin: „Diese Reaktionen auf Grundlagen von H2 und CO2, die den Ursprung der ersten biochemischen Prozesse widerspiegeln, können wir jetzt auch im Labor nachstellen und so in Düsseldorf die frühesten Entwicklungsphasen des Lebens nachbilden.“

Dr. Preiner hat sich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr, der Universität Straßburg und vom National Institute of Advanced Industrial Science and Technology in Japan diese sehr einfachen Reaktionen im Labor nachgestellt. Sie konnten zeigen, dass aus H2 und CO2 allein mithilfe einfacher mineralischer Katalysatoren – wie sie in den hydrothermalen Schloten vorkommen – bereits Formiat, Acetat und Pyruvat über Nacht bei 100 °C entstehen. Dazu ist kein mikrobieller Stoffwechsel nötig, wie Martina Preiner betont: „Die chemischen Reaktionen sind überraschend einfach. Es entstehen die Reaktionsprodukte, die auch die frühesten Zellen als Grundlage für ihren weiteren Stoffwechsel verwenden.”

Dr. Harun Tüysüz vom Mülheimer Max-Planck-Institut hat mit seinem Team für die Experimente nanostrukturierte Feststoffkatalysatoren designt: „Wir beobachteten eine ausgeprägte Beziehung zwischen der Struktur der Feststoffkatalysatoren und deren Aktivität bei der CO2-Reduktion durch Wasserstoff.“

Es war ein besonderer Glücksfall, dass auch zwei weitere Arbeitsgruppen ähnliche Vorgänge erforschten. Die Straßburger Chemiker um Prof. Dr. Joseph Moran und Dr. Kamila Muchowska verwendeten metallisches Eisen anstelle von H2. Das japanische Team um den Mikrobiologen Dr. Kensuke Igarashi untersuchte Reaktionen von H2 und CO2 auf Eisensulfid-Katalysatoren. Alle Arbeitsgruppen beobachteten die gleichen Produkte. Prof. Moran: „Der Stoffwechsel scheint auf überraschend natürlichem Wege entstanden zu sein“.

Der Anfang des Lebens birgt ein „Henne-Ei-Problem“. Zellen müssen – neben den einfachen CO2-H2-Reaktionen – eine große Zahl komplexerer Moleküle bilden, um zu wachsen und zu funktionieren. In modernen Zellen sind in der Regel Proteine die Katalysatoren, deren Bauanleitung wiederum in ihren Genen kodiert ist. Doch was war zuerst da, die Proteine oder die Nukleinsäuren? Die jetzt veröffentlichte Studie beschreibt die zeitliche Abfolge: Evolutionär zuerst standen die Reaktionen, die durch Metalle und Mineralien katalysiert wurden. Aus ihnen sind sowohl Proteinen als auch Nukleinsäuren hervorgegangen. Die Metalle, die in modernen Proteinen vorkommen, sind Relikte dieser biochemischen Ursprünge.

Ebenfalls gibt die Studie eine vielversprechende Antwort auf eine klassische Frage zur Entstehung des Lebens: Welche Energie stand den frühesten Lebensformen zur Verfügung? Preiner und Kollegen zeigten, dass die Reaktionen von H2 mit CO2 unter den Bedingungen, wie sie in hydrothermalen Quellen herrschen, auch Energie freisetzen: Bei der Herstellung einfacher Verbindungen wie Acetat wird genügend Energie erzeugt, so dass primitive Mikroben davon ihren weiteren Stoffwechsel angetrieben haben können.

Der Treibstoff für die Urzellen war also der Wasserstoff, der in der Frühzeit der Erde massenhaft in der Tiefsee gebildet wurde und auch heute noch gebildet wird. Nicht nur ist Wasserstoff die sauberste aller Energieformen – bei seiner Verbrennung entsteht nur Wasser –, er kann auch der Zündfunke für das Leben gewesen sein. Dafür waren aber die richtigen Bedingungen und die richtigen Katalysatoren entscheidend.

Die Studie wurde vom Europäischen Forschungsrat, der Volkswagen Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, der Japanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften und dem japanischen Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie gefördert.


Originalpublikation:

Preiner M, Igarashi K, Muchowska KB, Yu M, Varma SJ, Kleinermanns K, Nobu MK, Kamagata Y, Tüysüz H, Moran J & Martin WF (2020) A hydrogen-dependent geochemical analogue of primordial carbon and energy metabolism. Nat. Ecol. Evol., 02.03.2020.

DOI: 10.1038/s41559-020-1125-6


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Geschichte / Archäologie, Meer / Klima
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW