Werden Roboter den Wissenschaftler aus Fleisch und Blut ersetzen?

Ist es möglich, einen Roboterwissenschaftler zu bauen, der neue Erkenntnisse gewinnt? Ein solcher lernfähiger, mit Künstlicher Intelligenz gefütterter Automat muss den gesamten Forschungsprozess beherrschen: Er bildet Hypothesen, testet sie durch eigenständig entworfene und durchgeführte Experimente, interpretiert die Resultate und wiederholt diesen Zyklus, bis er auf neues Wissen stößt. In der Märzausgabe von Spektrum der Wissenschaft präsentiert der Informatiker Ross D. King von der Aberystwyth University in Wales einen Apparat, der all das kann.

Der Roboter heißt Adam, sieht aber einem Menschen gar nicht ähnlich: Adam ist ein automatisches Labor von der Größe eines kleinen Bürozimmers. Die Ausrüstung umfasst unter anderem einen Kühlschrank, Vorrichtungen zum Manipulieren von Flüssigkeiten, Roboterarme, Inkubatoren und eine Zentrifuge – alles automatisiert. Natürlich besitzt Adam auch ein leistungsstarkes Computergehirn, das Schlüsse zieht und die Einzelrechner für die Hardwaresteuerung kontrolliert.

Der Forschungsroboter untersucht, wie einzellige Kleinstlebewesen wachsen, indem er bestimmte Mikrobenstämme und Nährstoffe auswählt und dann mehrere Tage lang beobachtet, wie die Kulturen gedeihen. Der Roboter kann pro Tag rund tausend solche Versuche in Gang setzen. Auf diese Weise erforscht Adam ein wichtiges und gut automatisierbares Gebiet der Biologie, die funktionelle Genomik. Sie untersucht den Zusammenhang zwischen Genen und ihrer Funktion.

Tatsächlich fand Adam einen zuvor unbekannten Zusammenhang zwischen drei Genen der Backhefe und einem bestimmten Enzym. Doch darf man Adam deshalb gleich als Wissenschaftler bezeichnen? Die Maschine ist ein Prototyp, und immer wieder muss ein Techniker eingreifen, um Fehler in der Hardware und Software zu beheben. Auch arbeiten die Softwaremodule ohne menschliche Hilfestellung noch nicht problemlos zusammen. Trotzdem: Adams Vorgehensweise, Hypothesen zu bilden und neues Wissen experimentell zu bestätigen, benötigt keine intellektuelle oder körperliche Anstrengung seitens des Menschen. In diesem Sinne arbeitet er autonom.

Unterdessen hat Kings Team einen zweiten Roboter gebaut: Eva wendet dieselben automatisierten Forschungszyklen wie Adam an, aber diesmal auf das Entwickeln und Testen von Medikamenten. Evas Forschungen konzentrieren sich auf Tropenkrankheiten wie Malaria und Schlafkrankheit. Adams automatische Kollegin hat bereits einige interessante Verbindungen gefunden, die gegen Malaria zu wirken scheinen. King ist überzeugt, dass mit fortschreitender Computertechnik und Künstlicher Intelligenz immer gewieftere Roboterwissenschaftler entstehen werden.

Ob sie jemals zu umwälzenden Erkenntnissen oder immer nur zur Routineforschung fähig sein werden, ist eine Grundfrage über die Zukunft der Naturwissenschaft. Einige Forscher meinen, durch Automatisierung sei keine wissenschaftliche Revolution zu erreichen. Andere behaupten, in hundert Jahren würde der beste Physiker eine Maschine sein. Die Zukunft wird zeigen, wer Recht behält. (Quelle: Spektrum der Wissenschaft, März 2011, Foto: Jem Rowland, Aberystwyth University )