Wie RNA-Fragmente aus dem Menschen dem Hepatitis-E-Virus helfen



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10.06.2024 09:09

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Wie RNA-Fragmente aus dem Menschen dem Hepatitis-E-Virus helfen

Warum wird Hepatitis E bei manchen Patienten chronisch, warum wirken Medikamente nicht? Um das herauszufinden, beobachtete ein internationales Forschungsteam unter Bochumer Leitung einen Patienten mit chronischer Hepatitis-E-Infektion über ein Jahr lang. Wiederholte Sequenzierungen der Virus-RNA belegten, dass das Virus verschiedenste Teile der Wirts-Messenger-RNA in sein Genom einbaute. Daraus resultierte ein Replikationsvorteil, der möglicherweise dazu beitrug, dass die Infektion chronisch wurde.

„Die sogenannte Insertion von Wirts-RNA kann die Chronifizierung einer akuten Infektion voraussagen“, sagt Dr. Daniel Todt, Leiter der Arbeitsgruppe Computergestützte Virologie in der Abteilung Medizinische und Molekulare Virologie der Ruhr-Universität Bochum. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Nature Communications vom 6. Juni 2024: https://www.nature.com/articles/s41467-024-49219-8
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Sequenzierungen der Viruspopulation

Rund 20 Millionen Menschen erkranken jedes Jahr weltweit an Hepatitis E. Normalerweise heilt die Infektion folgenlos aus, jedoch kann sie für Schwangere oder Menschen mit unterdrücktem Immunsystem lebensgefährlich werden. In einigen Fällen wird sie chronisch. Spezifisch wirksame Medikamente gibt es nicht. Der Breitband-antivirale Wirkstoff Ribavirin wird auch gegen Hepatitis E eingesetzt, aber auch er wirkt nicht immer.

Wir kann das Virus dem Immunsystem entgehen? Warum wird die Infektion chronisch und heilt nicht aus? Das wollten die Forschenden wissen und analysierten erstmals sämtliche Viruspopulationen eines chronisch infizierten Patienten in einem Zeitraum von über einem Jahr. Aus den Blutproben untersuchten sie mehr als 180 einzelne Sequenzen im Detail.

Vermehrung in Zellkultur profitiert von der Wirts-RNA

„Das Hepatitis-E-Virus hat eine sogenannte hypervariable Region in seiner Erbinformation, in die es verschiedene RNA-Sequenzen aus Wirtszellen einbauen kann“, beschreibt Daniel Todt. Sein Team konnte nachweisen, dass sich die Zusammensetzung dieser Region während des Untersuchungszeitraums massiv verändert hat. Außerdem kamen viele verschiedene Zusammensetzungen zeitgleich vor. In Zellkulturexperimenten zeigte sich, dass mit dem Einbau der Wirts-RNA ein Replikationsvorteil einherging: Die so veränderten Viren konnten sich besser vermehren als andere. „Wir nehmen an, dass das mitverantwortlich dafür ist, dass die Infektion chronisch wird und die Therapie versagt“, so Daniel Todt.

Die Forschenden schauten sich die Zusammensetzung der in das Virus eingebauten Wirts-RNA genau an, um festzustellen, ob es Gemeinsamkeiten gibt, die die Genabschnitte auszeichnen. „Wir konnten aber keine sinnvollen Übereinstimmungen nachweisen“, so Todt. Die eingebauten Gensequenzen sind überwiegend solche, die in Wirtszellen sehr häufig vorkommen, was für eine Zufallsauswahl spricht.

„Möglicherweise spielt sich bei der Infektion mit Hepatitis E im Körper ein Wettlauf zwischen Virus und Immunsystem ab“, mutmaßt Daniel Todt. „Wenn es dem Virus gelingt, Wirts-RNA einzubauen, bevor das Immunsystem die Infektion erfolgreich bekämpft hat, kommt es vielleicht zu einem chronischen Verlauf.“ Wirts-RNA im Virus-Genom könne auf alle Fälle als Biomarker in der akuten Phase einer Infektion frühzeitig darauf hinweisen, dass die Chronifizierung droht.

Die Forschenden planen, ihre Studien auf größere Kohorten von Patienten auszuweiten.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert durch das Bundesministerium für Bildung Forschung im Rahmen der Nachwuchsgruppe „VirBio“ sowie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Weitere Fördermittel kamen vom Bundesministerium für Gesundheit, dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und den National Institutes of Health.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Daniel Todt
Arbeitsgruppe Computational Virology (Computergestützte Virologie)
Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 22463
E-Mail: daniel.todt@ruhr-uni-bochum.de


Originalpublikation:

Michael Hermann Wißing et al.: Genetic Determinants of Host- and Virus derived Insertions for Hepatitis E Virus Replication, in: Nature Communications, 2024, DOI: 10.1038/s41467-024-49219-8, https://www.nature.com/articles/s41467-024-49219-8


Bilder

Eike Steinmann (links) und Daniel Todt vom Lehrstuhl Molekulare und Medizinische Virologie

Eike Steinmann (links) und Daniel Todt vom Lehrstuhl Molekulare und Medizinische Virologie

© RUB, Marquard


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW