10.09.2020 11:00
Wiedergeburt eines Vulkans
Erstmals dokumentieren Langzeitreihen den „Lebenszyklus“ eines Feuerbergs. Die Analysen von Forschenden des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ und internationalen Kollegen zeigen, dass Vulkane eine Art Gedächtnis haben.
Vulkane werden und vergehen – und erwachsen dann erneut auf ihren eigenen Überresten. Insbesondere der Zerfall eines Vulkans geht oft mit katastrophalen Folgen einher, wie zuletzt im Jahr 2018 am Anak Krakatau. Die Flanke des Vulkans war kollabiert und ins Meer gerutscht. Der dadurch ausgelöste Tsunami tötete mehrere Hundert Menschen an Indonesiens Küste.
Lang anhaltende vulkanische Aktivitäten nach einem Kollaps sind bislang nicht im Detail dokumentiert. Jetzt präsentieren Forschende des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ gemeinsam mit russischen Vulkanologen in der Fachzeitschrift „Nature Communications Earth and Environment“ erstmals Ergebnisse einer rund sieben Jahrzehnte langen fotogrammetrischen Datenreihe für den Vulkan Bezymianny auf der Halbinsel Kamtschatka. Erstautorin Alina Shevchenko vom GFZ sagt, „durch die deutsch-russische Kooperation konnten wir hier einen einzigartigen Datensatz analysieren und neu interpretieren“.
Im Jahr 1956 ist der östliche Sektor von Bezymianny kollabiert. Aufnahmen von Helikopterüberflügen aus Sowjetzeiten sowie Satellitenbilder und neuere Drohnenaufnahmen wurden am GFZ Potsdam mit neuesten Verfahren analysiert und dokumentieren die Wiedergeburt des Vulkans nach dem Kollaps. Unmittelbar darauf erwuchsen mehrere Kegel an zunächst verschiedenen, etwa 400 Meter voneinander entfernten Schloten. Nach rund zwei Jahrzehnten wurde die Aktivität stärker und die Schlote wanderten langsam zusammen. Nach etwa fünfzig Jahren konzentrierte sich die Aktivität auf einen einzelnen Schlot, was das Wachstum eines neuen und steilen Kegels ermöglichte.
Die Autorinnen und Autoren der Studie ermittelten eine durchschnittliche Wachstumsrate von 26.400 Kubikmeter pro Tag – das entspricht in etwa tausend großen Kipplaster-Anhängern. Damit lässt sich prognostizieren, wann das Vulkangebäude erneut die kritische Höhe erreichen könnte, bei der sich Kollaps unter dem eigenen Gewicht wiederholen könnte. Die numerische Modellierung erklärt auch die Änderungen der Spannungen und somit das Wandern der Eruptionsschlote. Thomas Walter, Vulkanforscher am GFZ und Koautor der Studie, resümiert: „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass der Zerfall und das erneute Wachstum eines Vulkans große Einflüsse auf die Wegsamkeiten des Magmas in der Tiefe haben. Somit zeigen zerfallene und neu erwachsene Vulkane eine Art Gedächtnis ihres veränderten Spannungsfeldes.“ Für künftige Prognosen heiße das, dass die Historie des Werdens und Vergehens mit einzubeziehen ist, um zu Aussagen über mögliche Ausbrüche oder Kollapse zu kommen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Thomas Walter
Arbeitsgruppenleiter in der GFZ-Sektion Erdbeben- und Vulkanphysik
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
E-Mail: thomas.walter@gfz-potsdam.de
Tel: +49 331 288-1253
Originalpublikation:
A. Shevchenco et al.: “The rebirth and evolution of Bezymianny volcano, Kamchatka after the 1956 sector collapse” in Nature Communications Earth and Environment, DOI: 10.1038/s43247-020-00014-5
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geowissenschaften, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
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