04.07.2019 08:53
30.000 Jahre alter Mord geklärt // Frühester moderner Europäer war Opfer einer Gewalttat
Tübingen, 04.07.2019. Senckenberg-Wissenschaftlerin Katerina Harvati hat gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen eine uralte Gewalttat aufgeklärt. Das Team untersuchte mit modernsten forensischen Methoden den Schädel eines 33.000 Jahre alten modernen Frühmenschen. Das altsteinzeitliche Fossil stammt aus der rumänischen Cioclovina Höhle und gilt als eine*r der ältesten Vertreter*in der modernen Europäer*innen. Der Schädelknochen des Fossils weist mehrere Verletzungen auf, die bisher als post mortem interpretiert wurden. Harvati und Co zeigen in der heute im Fachjournal „PLOS ONE “ veröffentlichten Studie, dass diese Frakturen gewaltvoll zugefügt wurden und vermutlich zum Tod führten.
Zwei kleine Narben und eine größere Fraktur verlaufen über den 33.000 Jahre alten Frühmenschen-Schädel, der in der rumänischen Cioclovina-Höhle gefunden wurde. „Bislang ist man davon ausgegangen, dass diese Risse nach dem Tod, als Folge von Verwitterungsprozessen, entstanden sind“, erklärt Prof. Dr. Katerina Harvati vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen und fährt fort: „Wir haben das männliche Fossil nun mit modernen forensischen Methoden untersucht und können eine Entstehung dieser Frakturen nach dem Ableben ausschließen.“
Vielmehr schlussfolgern Harvati und ihre Kolleg*innen Dr. Elena F. Kranioti von der Universität Kreta und Prof. Dr. Dan Grigorescu von der Universität Bukarest, dass der fossile Vertreter der frühesten modernen Menschen in Europa Opfer einer Gewalttat wurde. „Sowohl unsere forensische Knochentrauma-Analyse als auch experimentelle Modelle zeigen, dass die Frakturen von zwei Vorfällen stumpfer Gewalt herrühren – der zweite eindeutig mit einem keulenartigen Objekt!“ Das Ausmaß der Verletzungen sowie die fehlenden Anzeichen einer Heilung weisen auf einen Schlag mit Todesfolge hin.
Das Team rund um die Tübinger Wissenschaftlerin kann sogar nähere Auskünfte über die Täter*in und den Tathergang geben: Das Muster der Fraktur deutet darauf hin, dass sich Opfer und Angreifer*in frontal gegenüberstanden und der Schlag mit der linken Hand ausgeführt wurde. „Eventuell wurde das Opfer auch in einer knienden Position von einer Art Knüppel getroffen“, erläutert die Forensische Anthropologin Kranioti und ergänzt: „Wir gehen hier von einem persönlichen Konflikt aus, der mit Gewalt und wahrscheinlich sogar mit dem Tod endete.“
Das Altpaläolithikum ist für technologische Innovationen, kulturelle Komplexität und gesteigertes symbolisches Verhalten bekannt. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Verhalten der frühesten modernen Europäer*innen aber auch gewalttätige Konflikte und sogar Morde beinhaltete“, schließt Harvati.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Katerina Harvati
Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment
Universität Tübingen
Tel.: +49-(0)7071-29-76516
katerina.harvati@senckenberg.de
Originalpublikation:
Kranioti EF, Grigorescu D, Harvati K (2019) State of the art forensic techniques reveal evidence of interpersonal violence ca. 30,000 years ago. PLOS ONE 14(7): e0216718. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0216718
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie
überregional
Forschungsergebnisse
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