Aufbruchstimmung in der Alzheimer-Forschung



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17.05.2024 11:40

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Aufbruchstimmung in der Alzheimer-Forschung

Bei der Alzheimer Erkrankung lagern sich Eiweiße im Gehirn ab und schädigen es. Prof. Dr. Susanne Aileen Funke von der Hochschule Coburg hat eine Methode gefunden, die solche gefährlichen Eiweißverbindungen verhindern soll. Es ist angewandte Grundlagenforschung – noch weit entfernt davon, ein Medikament zu werden. Aber die bisherigen Forschungsergebnisse sind vielversprechend und stoßen auf großes Interesse. Die Coburger Wissenschaftlerin hat sie der Fachwelt bei der diesjährigen Conference on Alzheimer’s and Parkinson’s Diseases (AD/PD) präsentiert und erklärt sie einer breiten Bevölkerung in der Sendung 4you von TV Oberfranken.

Wenn ein Mensch an Alzheimer erkrankt, verändert sich etwas im Gehirn: Zwei köpereigene Proteine fangen an, sich auf eine spezielle Art zusammenzuballen. Das Amyloid-beta-Peptid verbindet sich mit Peptiden der gleichen Sorte und lagert sich zwischen den Nervenzellen als Plaques ab. Und in den Nervenzellen beginnen Tau-Proteine, mit anderen Tau-Proteinen so genannte Tangles oder Fibrillen zu bilden. „Als einzelnes Protein ist Tau sehr wichtig für den Körper“, erklärt Prof. Dr. Susanne Aileen Funke von der Hochschule Coburg. „Aber sobald es mit sich selbst aggregiert, wird es sehr giftig.“ Nach einiger Zeit sterben die betroffenen Nervenzellen. Alzheimer-Demenz ist eine neurodegenerative Erkrankung. Die Betroffenen verlieren kognitive Fähigkeiten. Mehr und mehr Erinnerungen werden gelöscht, Persönlichkeiten langsam zerstört.
Die Arbeitsgruppe der Coburger Molekularbiologin Funke forscht an kleinen Eiweißwirkstoffen, Peptiden, die an das Tau-Protein binden. So wird verhindert, dass Tau mit sich selber aggregieren kann. „Im Reagenzglas funktioniert das und wir haben inzwischen erste Zellkulturversuche durchgeführt.“ Von einem Medikament ist das noch weit entfernt: „Da müssen noch einige Zellkulturversuche folgen und für die weitere Entwicklung braucht es Kooperationspartner.“ Bis die Wirkstoffe in der Pharmaindustrie weiterentwickelt und getestet werden, können Jahre, vielleicht Jahrzehnte vergehen.

Was sich weltweit in der Alzheimer-Forschung tut

Funke berichtet von der 18th International Conference on Alzheimer’s and Parkinson’s Diseases (AD/PD), einer der wichtigsten europäischen Tagungen zum Thema mit 4700 Teilnehmenden aus über 70 verschiedenen Ländern. Die renommierte Alzheimer-Forscherin der Hochschule Coburg hielt dort einen Vortrag und leitete die entsprechende Session. „Die Atmosphäre war diesmal anders, es herrscht eine Art Aufbruchsstimmung“, sagt sie. „Es ist ja so, dass sehr, sehr lange keine neuen Medikamente zugelassen worden sind.“ Nur die Symptome von Alzheimer konnten bisher behandelt werden. „Jetzt sind aber beispielsweise in den USA erste Therapien zugelassen worden, die den Krankheitsverlauf verändern können.“ Der Effekt ist allerdings nicht so deutlich wie erhofft, die Medikamente sind teuer, haben Nebenwirkungen und müssen in einer sehr frühen Phase der Krankheit verabreicht werden, was nicht so einfach ist. Alzheimer wird ja meist erst diagnostiziert, wenn die Symptome deutlich werden. Bis dahin sind durch die Krankheit aber unbemerkt schon viele Schäden im Gehirn entstanden, denn sie beginnt viele Jahre vorher. „Aber auch bei der Biomarker-Forschung, die bei der frühzeitigen Diagnose hilft, tut sich etwas“, erklärt Funke. Ihre eigene Forschung ist ein weiterer bedeutender Ansatz: Am Institut für Bioanalytik der Hochschule Coburg wurde mit Methoden wie dem so genannten Phagen-Display-Verfahren zwei D-Peptide gefunden, die an genau den richtigen Stellen des Tau-Proteins andocken. D-Peptide bestehen aus D-Aminosäuren, diese sind das räumliche Spiegelbild natürlicher L-Aminosäuren. Sie kommen so in der Natur nicht vor und werden im Körper nicht so schnell wie natürliche Peptide durch körpereigene Abwehrsysteme angegriffen. Entscheidend für die gefährliche Verbindung mehrerer Tau-Proteine sind die Hexapeptid-Motive PHF6* (Aminosäuren 275 bis 280 von Tau, Sequenz VQIINK) und PHF6 (Aminosäuren 306 bis 311 von Tau, Sequenz VQIVYK). Funkes Arbeitsgruppe fand dafür zwei ideale D-Peptide: MMD3 bindet an PHF6* und ISAD1 an PHF6. Die Aggregation von Tau-Proteinen wird damit verändert.

Die Coburger Peptide verhindern die giftige Reaktion

„Wir haben die Fähigkeit der D-Peptide, an Tau zu binden und dessen Fibrillierung zu verändern, durch biochemische, biophysikalische und bioinformatische Methoden untersucht”, erklärt Funke. Außerdem wurde in ersten Zellkulturexperimenten gezeigt, dass die D-Peptide von den Zellen effizient aufgenommen werden und in der Praxis tatsächlich die giftige Reaktion der Tau-Peptide hemmen. „Das kann sehr interessant für eine Therapie von Alzheimer sein”, sagt die Professorin vorsichtig. Alzheimer sei eine sehr komplexe Krankheit, bei der die Ursachen und Zusammenhänge immer noch nicht ganz klar sind. Außerdem ist nicht gesagt, dass das, was in Reagenzglas und Zellkultur passiert, genauso im Gehirn eines Menschen läuft. „Es sind noch viele Schritte nötig, bis MMD3 und ISAD1 vielleicht als Therapeutika für ein frühzeitiges Eingreifen in die Alzheimer-Krankheit entwickelt werden.” Funke will keine falschen Hoffnungen schüren: „Es kann immer ein Punkt kommen, an dem es kippt, an dem man merkt: Hier funktioniert es doch nicht.“ Aber immerhin wurde bereits für eine Reihe anderer D-Peptide gezeigt, dass sie nach oraler Verabreichung die Blut-Hirn-Schranke überwinden – ein wichtiger Punkt, damit ein Medikament in den Hirnzellen wirken kann. Alle Tests, alle Versuche, alle Ergebnisse sind bisher positiv gelaufen. Jetzt sucht die Professorin erst einmal die richtigen Partner, um das Thema weiter voranzutreiben. Wenn aus der Forschung ein Medikament entwickelt wird, dauert das vielleicht dann noch zehn, 15 Jahre. „Aber es sieht wirklich aus, als könnte was draus werden.”

Beitrag von TV Oberfranken

Um die Alzheimerforschung an der Hochschule Coburg geht es am Mittwoch, 22. Mai, auch in der Sendung 4you auf TV Oberfranken: Zu sehen über Kabel um 18.30 Uhr und über SAT (FrankenPlus) um 19.30 Uhr. Danach ist der Beitrag in der Mediathek von TVO verfügbar: http://www.tvo.de/mediathek/kategorie/sendungen/4you/.

Text: Natalie Schalk


Bilder

Prof. Dr. Susanne Aileen Funke forscht an der Hochschule Coburg zur Alzheimer-Krankheit.

Prof. Dr. Susanne Aileen Funke forscht an der Hochschule Coburg zur Alzheimer-Krankheit.
Foto: Hochschule Coburg


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW