Bereit für den Routinebetrieb: Ein Röntgen-Photoelektronen-Spektrometer analysiert den Lebenszyklus von Katalysatoren



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26.03.2021 10:53

Bereit für den Routinebetrieb: Ein Röntgen-Photoelektronen-Spektrometer analysiert den Lebenszyklus von Katalysatoren

Sie beschleunigen chemische Prozesse, ohne sich selbst zu verbrauchen, heißt es landläufig über Katalysatoren. Und doch kann ihre Wirkung mit der Zeit nachlassen. Was sich dabei an ihrer Oberfläche auf atomarer Ebene abspielt, erkundet in Rostock ein hochmodernes Gerät: das neue X-ray (Röntgen)-Photoelektronen-Spektrometer (XPS) am Leibniz-Institut für Katalyse. Es beschießt Atome an der Oberfläche einer Probe mit Röntgenstrahlen und löst Elektronen heraus. „An der Energie, die dazu erforderlich ist, erkennen wir Charakter und Zustand des Atoms, von dem sie stammen“, erläutert Dr. Stephan Bartling. Er hat die Beschaffung des NAP-XPS geleitet und das Gerät für den Routinebetrieb vorbereitet.

Neue Möglichkeiten für Highend-Analytik

Konventionelle Röntgen-Photoelektronen-Spektrometer arbeiten nur im Ultrahochvakuum von 10-9 Millibar, das ist der millionstel Teil des normalen Atmosphärendrucks. Nur so lässt sich die Energie der vom Röntgenstrahl herausgelösten Photoelektronen exakt ermitteln, denn sie dürfen auf ihrem Weg nicht mit anderen Teilchen in der Luft kollidieren.
Auch das LIKAT forschte bisher mit so einem XPS im Hochvakuum. Doch das ist nicht die übliche Reaktionsumgebung für Katalysatoren. „Für bestimmte Messungen braucht es einfach realistische Analyse-Bedingungen“, sagt Bereichsleiterin Prof. Dr. Angelika Brückner. Analysen in der Messkammer des neuen Geräts erfolgen in Gegenwart von (reaktiven) Gasen, daher der Name NAP: Near Ambient Pressure. Mit diesem Hightech-Instrument lässt sich u.a. die Funktion von Katalysatoren künftig in situ – d.h. unter reaktionsnahen Bedingungen – analysieren und optimieren.

1,1 Mio Euro aus EFRE-Mitteln

Katalyse ist, wie Angelika Brückner erläutert, „im weitesten Sinne ein Oberflächenphänomen“. Ein Gas- oder Flüssigkeitsgemisch strömt z.B. an einem porösen, oft metallischen Katalysator entlang, und allein dieser oberflächliche Kontakt sorgt für die gewünschte Reaktion. Die Atome an der Oberfläche des Katalysators spielen in diesem Prozess mit und können dabei mitunter ihre Aktivität einbüßen, z.B. durch irreversible Änderungen ihres Oxidationszustandes oder durch Ablagerungen.
Stephan Bartling: „Indem wir mit dem NAP-XPS Photoelektronen der äußeren Atomlagen eines Materials untersuchen, können wir präzise erkennen, was mit den Atomen an der Katalysatoroberfläche während einer Reaktion passiert.“ Mit den Messungen lässt sich gewissermaßen der Lebenszyklus eines Katalysators abbilden.
Während die meisten NAP-XP-Spektrometer an Synchrotronquellen installiert und nur eingeschränkt verfügbar sind, ist die neue Generation dieser Geräte auch im normalen Laborbetrieb einsetzbar. Im Norden Deutschlands ist das NAP-XPS am LIKAT das einzige Laborgerät, bundesweit steht knapp ein Dutzend dieser Geräte bereit und weltweit befinden sich vielleicht 60 Maschinen im Laboreinsatz. Für die Rostocker Anschaffung flossen 1,1 Mio Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), der vor allem dem Ausbau der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Unternehmen dienen soll.

Oxidation von CO in Brennstoffzellen

Eine der ersten Analyse-Anfragen betraf denn auch einen regional wie international immer stärker favorisierten Bereich, die Wasserstofftechnologie, genauer: Lebensdauer und Effizienz von Brennstoffzellen. Angelika Brückner erläutert das Problem: Wasserstoff, der eigentliche Brennstoff für diese Zellen, enthält technologiebedingt stets Spuren von Kohlenmonoxid, CO. CO aber ist Gift für diese Technik, es schädigt die Edelmetall-Elektroden. „Als Chemiker entfernen wir das CO durch Oxidation zu CO2. Dazu setzen wir Sauerstoff ein. Und die Hürde besteht darin, den Sauerstoff daran zu hindern, dass er den Wasserstoff gleich mit oxidiert.“ Den braucht die Brennstoffzelle ja als Treibstoff.
Um das Problem zu lösen, wird in Labors weltweit mit unterschiedlichen Katalysatoren experimentiert. Am LIKAT ist es u.a. ein kupferhaltiger Katalysator auf Basis von Ceroxid, eines Seltenerd-Metall-Oxids, das für seine starke Oxidationskraft bekannt ist. Vereinfacht gesagt spendiert in diesem Falle das Ceroxid den Sauerstoff für die Oxidation von CO, wodurch es selbst reduziert und damit inaktiv wird. Um das zu verhindern, muss es zugleich gasförmigen Sauerstoff wieder einfangen, bevor der sich am Wasserstoff zu schaffen macht.
Das bedeutet, die Oberflächenatome eines guten Katalysators (in diesem Fall Cer) müssen schnell und reversibel ihre Oxidationsstufe wechseln. „Mit unserem neuen Gerät“, sagt Dr. Bartling, „konnten wir sehr schön beobachten, wie diese ‚Redoxschaukel‘ bei verschiedenen Temperaturen und Gaszusammensetzungen funktioniert.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Angelika Brückner
Bereichsleiterin „Katalytische in situ-Studien“
angelika.brueckner@catalysis.de

Dr. Stephan Bartling
Methodenverantwortlicher „Photoelektronenspektroskopie“ (XPS)
stephan.bartling@catalysis.de


Originalpublikation:

Elucidating the Nature of Active Sites and Fundamentals for their Creation in Zn-Containing ZrO2−Based Catalysts for Nonoxidative Propane Dehydrogenation
S. Han, D. Zhao, T. Otroshchenko, H. Lund, U. Bentrup, V. A. Kondratenko, N. Rockstroh, S. Bartling, D. E. Doronkin, J.-D. Grunwaldt, U. Rodemerck, D. Linke, M. Gao, G. Jiang, E. V. Kondratenko, ACS Catal. 2020, 10, 8933-8949. https://doi.org/10.1021/acscatal.0c01580
Weitere Paper zur Veröffentlichung der neuen Erkenntnisse, unter anderem in NATURE CHEMISTRY, sind in Arbeit.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Chemie, Energie, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch


Quelle: IDW