Birkenspannerraupen können mit der Haut die Farbe des Untergrunds erkennen und ihre Körperfarbe anpassen



Teilen: 

02.08.2019 11:51

Birkenspannerraupen können mit der Haut die Farbe des Untergrunds erkennen und ihre Körperfarbe anpassen

Raupen des Birkenspanners sind nur schwer von einem Zweig zu unterscheiden. Dabei ahmen sie nicht nur die Form eines Zweigs nach, sondern auch dessen Farbe. In einer neuen Studie konnten Wissenschaftler von der Universität Liverpool und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie nun zeigen, dass Raupen die Farbe der Zweige mit der Haut wahrnehmen. Raupen, deren Augen geschwärzt waren, passten ihre Farbe dennoch dem Untergrund an. Wenn sie die Wahl hatten, suchten auch „blinde“ Raupen bevorzugt Zweige auf, die ähnliche Farben haben wie sie selbst. Zudem wurden Gene, die für Sehen erforderlich sind, nicht nur in den Augen der Raupen aktiviert, sondern auch in deren Haut.

Tintenfische, Chamäleons und einige Fische sind dafür bekannt, dass sie ihre Farbe an ihre Umgebung anpassen können, um sich zu tarnen. Dazu besitzen sie ein System, um Licht und Farbe unabhängig von den Augen wahrzunehmen. Manche Insekten wie z.B. Birkenspannerraupen (Biston betularia), passen auch ihre Körperfarbe an die Farbe ihrer Futterpflanze an, obwohl dieser Farbwechsel verglichen mit anderen Tieren nur eher langsam verläuft. Bis jetzt war Forschern aber kein Insekt bekannt, das Farbe in seiner Umgebung wahrnehmen kann und wie der Farbwechsel erfolgt. Zwei Theorien wurden jedoch bereits vor mehr als 130 Jahren vorgeschlagen; nämlich, dass der Farbwechsel durch die Nahrung verursacht werden könnte oder indem das Tier die Farbe sieht. Da einige Insekten dafür bekannt sind, dass sie Licht – aber keine Farbe – über die Haut wahrnehmen können, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Liverpool und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie nun drei unterschiedliche Ansätze verfolgt, um das Rätsel zu lösen, wie Birkenspannerraupen ihre Farbe der Umgebung anpassen.

Zunächst wollten sie herausfinden, ob Raupen, deren Augen mit Acrylfarbe schwarz übermalt waren, dennoch ihre Farbe dem Untergrund anpassen können. Die „erblindeten“ Raupen wurden jeweils auf weißen, grünen, braunen und schwarzen Zweigen angezogen und ihre Farbe beobachtet. Auch ohne mit den Augen sehen zu können, verfärbten sich die Raupen entsprechend ihres Untergrunds. Die Färbung war genauso intensiv wie bei Raupen, deren Augen nicht geschwärzt waren. „Es war für mich völlig überraschend, dass „blinde“ Raupen immer noch in der Lage sind, ihre Körperfarbe dem Untergrund anzupassen. Ich denke, mein Betreuer, Ilik Saccheri, glaubte mir das Ergebnis erst, nachdem er es selber gesehen hatte“, sagt Amy Eacock, eine der Hauptautorinnen der neuen Studie und derzeit Postdoc am MPI für chemische Ökologie.

In Verhaltensuntersuchungen, bei denen Raupen mit geschwärzten Augen die Wahl zwischen Zweigen in den genannten vier Farben hatten, setzten sie sich auf den Zweig, der ihrer Farbe am ähnlichsten war.

Im dritten Ansatz untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in welchen Körperteilen Gene, die mit Sehen in Zusammenhang stehen, aktiv sind. Sie fanden sie nicht nur im Kopf der Raupen, wo sich die Augen befinden, sondern auch in der Haut aller Körpersegmente. Ein Seh-Gen wurde sogar in der Haut stärker abgelesen als in den Köpfen der Raupen. „Wir gehen davon aus, dass dieses Gen an der Wahrnehmung durch die Haut beteiligt ist“, bemerkt Hannah Rowland, weitere Hauptautorin der Studie und Leiterin der Max Planck Forschungsgruppe Räuber und giftige Beute.

„Eine der größten Herausforderungen von Tieren ist, nicht von Räubern gefressen zu werden. Zahlreiche Arten haben daher eine Tarnung entwickelt, um nicht gesehen bzw. erkannt zu werden. Ein beträchtliches Problem ist jedoch, wie sich Tiere an den Untergrund anpassen können, auf dem sie sich häufig aufhalten. „Farbänderung ermöglicht Tieren, sich an ihre Umgebung anzupassen und reduziert sehr wahrscheinlich das Risiko gefressen zu werden“, fasst Hannah Rowland die ökologische Bedeutung der Studie zusammen. Amy Eacock ergänzt: „Wir haben ein Computermodell entwickelt, das so wie Vögel „sehen“ kann, so dass wir schließen können, dass sich diese Anpassungen – Farbänderung, Nachahmung eines Zweigs, Aufsuchen des Untergrund, der zur eigenen Farbe passt –sich über lange Zeiträume entwickelt haben, um zu verhindern von Räubern wahrgenommen zu werden. Raupen mit besserer Farbwahrnehmung werden wahrscheinlich seltener von Räubern gefressen, während Vögel mit verbessertem Sehvermögen mehr Raupen fressen, so dass sich das evolutionäre Wettrüsten zwischen Räuber und Beute fortsetzt.“

Die Studie erweitert unser Verständnis wie Schmetterlingsraupen sich vor Räubern schützen können.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Amy Eacock, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena, Germany, Tel. +49 (0)3641 57 1804, E-Mail aeacock@ice.mpg.de

Dr. Hannah Rowland, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena, Germany, Tel. +49 (0)3641 57 1800, E-Mail hrowland@ice.mpg.de


Originalpublikation:

Eacock, A., Rowland, H.R., van’t Hof, A.E., Yung, C., Edmonds, N., Saccheri, I.J. (2019) Extraocular photoreception mediates adaptive colour change and background choice behaviour in peppered moth caterpillars. Nature Communications 10.1038/s42003-019-0502-7


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Tier- / Agrar- / Forstwissenschaften, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW