05.06.2020 16:45
Blick in die Pflanzenzelle: Membranprotein wird gleichzeitig an zwei Orte dirigiert
Stoffwechselprozesse sind besonders in Pflanzen aufgrund ihrer standortgebundenen Lebensweise hochkomplex. Ein Stoffwechselweg, der seit Jahrzehnten Pflanzenbiologen beschäftigt, ist der oxidative Pentosephosphatweg. Forscher aus Münster und Düsseldorf haben herausgefunden, dass ein dafür wichtiges Membranprotein auf zwei Zellorganellen gleichzeitig verteilt wird, sodass an beiden Orten Reduktionsenergie verfügbar ist. Die Wissenschaftler vermuten, dass Pflanzen, bei denen dieser Stoffwechselweg in Peroxisomen blockiert ist, weniger stressresistent sein könnten. Die Studie ist in “The Plant Cell” erschienen.
Stoffwechselprozesse sind besonders in Pflanzen aufgrund ihrer standortgebundenen Lebensweise hochkomplex – daher entdecken Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer neue und überraschende Zusammenhänge, die in ihren Zellen ablaufen. Ein wichtiger Stoffwechselweg, der Pflanzenbiologen seit Jahrzehnten beschäftigt, ist der sogenannte oxidative Pentosephosphatweg. Er führt dazu, dass Kohlenhydrate verwertet werden, um sie in Reduktionsenergie umzusetzen. Hierfür spielen zwei Membranproteine eine wichtige Rolle – GPT1 und GPT2. Sie importieren aktivierte Glucose in Form von Glucose-6-Phosphat in Plastiden, spezielle Zellorganellen von Pflanzen, um den oxidativen Pentosephosphatweg mit „Futter“ zu versorgen. Der Prozess ist auch für die Fortpflanzung von Bedeutung, besonders während der Entwicklung von Pollen, Eizellen und Samen.
Da es Hinweise darauf gab, dass die drei oxidativen Schritte des Stoffwechselwegs auch in anderen Zellorganellen, den Peroxisomen, ablaufen können, stellten sich Pflanzenforscher der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) die Frage: Werden auch Membranproteine gleichzeitig an zwei verschiedene Orte in derselben Zelle dirigiert? Zusammen mit Kollegen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf haben sie nun darauf eine Antwort gefunden. Ihr Ergebnis: Nur GPT1 wird auf zwei Zellorganellen verteilt – dabei führt der alternative Weg des Membranproteins über das Endoplasmatische Retikulum, ein weiteres, netzartiges Organell der Zelle. Letztendlich schafft GPT1 damit an zwei Orten gleichzeitig die Voraussetzung dafür, dass Reduktionskraft bereitgestellt wird – also die Fähigkeit, Elektronen zu übertragen.
„Unsere Studie zeigt, dass der oxidative Pentosephosphatweg nicht nur in Plastiden und im Zellplasma, sondern auch in Peroxisomen eine Hauptquelle für das energiereiche Koenzym NADPH darstellen kann“, betont Studienleiterin Prof. Dr. Antje von Schaewen von der WWU. Die Wissenschaftler vermuten, dass Pflanzen, bei denen dieser Stoffwechselweg in Peroxisomen blockiert ist, weniger stressresistent sein könnten. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „The Plant Cell“ erschienen.
Hintergrund und Methode:
Die Wissenschaftler untersuchten die Vorgänge in der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), einer genetischen Modellpflanze. In vorherigen Studien hatten sie bereits gezeigt, wie andere Enzyme des Stoffwechselwegs unter bestimmten Bedingungen von Plastiden oder aus dem Zellplasma zu Peroxisomen umdirigiert werden. Dazu hatten sie fluoreszierende Reporter-Fusionsproteine verwendet. Diese Methode nutzten sie auch in ihrer aktuellen Studie, um das Auftreten von GPT1 und GPT2 mithilfe des sogenannten Life cell imaging und modernen lichtmikroskopischen Verfahren sichtbar zu machen.
Sie fanden heraus, dass nur GPT1 sowohl die Plastiden als auch das Endoplasmatische Retikulum ansteuert, von dem in einem bestimmten Bereich neue Peroxisomen gebildet werden. Die Forscher beobachteten, dass ein noch unbekannter Faktor zunächst verhindert, dass GPT1 in die Peroxisomen gelangt – so lange, bis das Membranprotein dort benötigt wird. „Durch eine experimentell erzwungene Interaktion mit peroxisomalen Importproteinen am Endoplasmatischen Retikulum konnten wir zeigen, dass GPT1 zu seinem alternativen Wirkungsort ,geschleppt‘ werden kann“, erklärt Erstautorin Dr. Marie-Christin Baune.
Nachdem die Forscher herausgefunden hatten, dass GPT1 an peroxisomalen Membranen vorkommt, untersuchten sie in einem künstlich nachgestellten System aus Hefe, welche Transportvorgänge ablaufen können. Sie fanden heraus, dass GPT1 bevorzugt Glucose-6-Phosphat gegen Ribulose-5-Phosphat tauscht, das als Produkt das Organell wieder verlässt. Ribulose-5-Phosphat ist ein wichtiger Vorläufer von Nukleotiden, den Bausteinen von Nukleinsäuren.
Sogenannte Immunoblot-Analysen, mit denen man Proteine nachweisen kann, legten ebenfalls nahe, dass GPT1 nicht nur an Plastiden, sondern auch an Peroxisomen unverzichtbar für die Befruchtung ist. Damit unterscheidet sich GPT1 merklich von seinem „Bruder“ GPT2 – ein Ergebnis, das die Wissenschaftler so nicht erwartet hatten und welches auch in genetisch veränderten Pflanzen deutlich wurde.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass GPT1 und GPT2 trotz ihrer großen Ähnlichkeit in Pflanzen nur minimal überlappende Aufgaben erfüllen. So wird ein Verlust von GPT2, zumindest unter Laborbedingungen, noch toleriert. GPT1 dagegen ist weder in Plastiden noch in Peroxisomen entbehrlich“, betont Koautor Dr. Hannes Lansing. „Da wir nun wissen, dass alle Reaktionen des oxidativen Pentosephosphatwegs, die NADPH und Ribulose-5-Phosphat produzieren, in Peroxisomen vorkommen, wollen wir in künftigen Studien herausfinden welche weiteren Prozesse darauf angewiesen sind“, sagt Antje von Schaewen.
Förderung:
Die Studie erhielt finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Antje von Schaewen (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Tel: +49 251 83-23817
schaewen@uni-muenster.de
Originalpublikation:
M.-C. Baune et al. (2020). The Arabidopsis Plastidial Glucose-6-Phosphate Transporter GPT1 is Dually Targeted to Peroxisomes via the Endoplasmic Reticulum. The Plant Cell; DOI: 10.1105/tpc.19.00959
Weitere Informationen:
http://www.plantcell.org/content/32/5/1703 Originalpublikation in „The Plant Cell”
https://www.uni-muenster.de/Biologie.IBBP/agschaewen/ Forschergruppe Prof. von Schaewen am Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen der WWU
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch