Die Kortikalreaktion bei Pflanzen entdeckt



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08.04.2021 11:23

Die Kortikalreaktion bei Pflanzen entdeckt

Biologen:innen aus Regensburg und Wuhan haben einen Mechanismus entdeckt, wie Pflanzen verhindern, dass Eizellen von mehreren Spermazellen befruchtet werden.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Pflanzen und Tiere haben Mechanismen entwickelt, die regulieren, dass eine Eizelle nur von einer Spermazelle bzw. eines Spermiums befruchtet wird. Dringen mehrere Spermien in die Eizelle ein (Polyspermie) kommt es in der anschließenden Embryonalentwicklung in der Regel zu Fehlbildungen. Dann wird der Embryo abgestoßen oder stellt das Wachstum ein und stirbt. Bei Tieren wird durch eine sog. Kortikalreaktion der befruchteten Eizelle eine Befruchtungsmembran gebildet, die das Eindringen weiterer Spermien und somit Polyspermie verhindert. Bei Blütenpflanzen ist der Befruchtungsvorgang besonders komplex: Spermazellen sind unbeweglich und werden in Pollenkörnern geschützt, oft durch Wind oder Insekten transportiert. Treffen Pollenkörner auf geeignete weibliche Blütenorgane, keimen sie aus und bilden einen Schlauch, der tief in mütterliche Gewebe eindringt, zum Eiapparat wächst und dort seine Spermazellladung entlässt. Um bei der anschließenden Befruchtung Polyspermie zu verhindern, wird bereits vorher reguliert, dass nur ein Pollenschlauch zum Eiapparat gelangt.

Ein Forschungsteam am Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenbiochemie um Professor Dr. Thomas Dresselhaus arbeitet bereits seit vielen Jahren unter anderem an den molekularen Mechanismen der Pollenschlauchkeimung, des Pollenschlauchwachstums und dessen Anlockung sowie der Spermazellfreisetzung im Eiapparat und den sich anschließenden Befruchtungsmechanismen. In einer Kooperation mit Wissenschaftlern:innen aus Japan entdeckten sie so bereits vor über 10 Jahren kleine Proteine , die vom Eiapparat ausgeschleust werden und der Anlockung von Pollenschläuchen dienen. Die jetzige Entdeckung beruht auf Forschungsarbeiten im Sonderforschungsbereich (SFB) 960, in dem Professor Dresselhaus unter anderem den befruchtungsinduzierten Abbau von sog. Boten-mRNAs für eizellspezifische Proteine untersucht. Zwei dieser Boten-mRNAs erzeugen sog. Endopeptidasen, die nach Befruchtung in großen Mengen von der Eizelle ausgeschieden werden. In Kooperation mit Forschern:innen der Universität Wuhan (China) konnten sie jetzt zeigen, dass diese Endopeptidasen oben beschriebene Pollenschlauch-Anlockungsproteine spalten und somit inaktivieren. Es werden dadurch keine weiteren Pollenschläuche angelockt und Polyspermie wird verhindert.

„Entdeckt haben wir die eizellspezifischen Endopeptidasen in Regenburg bereits vor über 14 Jahren, hatten aber damals nicht die technischen Möglichkeiten, herauszufinden, wozu sie gut sind“, erläutert Zellbiologe Dresselhaus. Angeregt durch Arbeiten im SFB und mit Hilfe neuer Laser Scanning-Fluoreszenzmikroskope ließ sich jetzt nicht nur die Freisetzung der Endopeptidasen nach Befruchtung beobachten. Dabei entdeckte Dr. Andrea Bleckmann auch eine völlig neue zelluläre Struktur am oberen Pol der unbefruchteten Eizelle: ein Kortikalnetzwerk. „Ähnlich der Kortikalreaktion bei Tieren enthält das Netzwerk Endopeptidasen, die nur nach erfolgreicher Befruchtung mit einer Spermazelle ausgeschleust werden und zu einem schnellen Block der Anlockung weiterer Pollenschläuche führt“, erläutert Dr. Bleckmann: „Indirekt wird durch diese kortikalähnliche Reaktion Polyspermie bei Pflanzen verhindert.“

Ihre Forschungsergebnisse publizierten die Forscher:innen unlängst im renommierten Fachjournal Nature.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Dresselhaus
Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenbiochemie
Universität Regensburg
Telefon: +49 941 943-3016, -3017
E-Mail: thomas.dresselhaus@ur.de


Originalpublikation:

Yu, X., Zhang, X., Zhao, P. et al. Fertilized egg cells secrete endopeptidases to avoid polytubey. Nature (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-021-03387-5


Weitere Informationen:

http://cell-biology.uni-regensburg.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW