Ein Gen sorgt für Schutz oder Zerstörung



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24.02.2021 11:30

Ein Gen sorgt für Schutz oder Zerstörung

Die Enzymfamilie ENDOU kommt überall vor, und doch ist sie unverstanden. Beim Menschen wird sie mit der Entstehung von Krebs in Verbindung gebracht. Auch RNA-Viren wie SARS-CoV2 enthalten ein Gen, das dem ENDOU entspricht und eine große Rolle bei der Vermehrung des Virus spielt. Bislang wussten Forscherinnen und Forscher allerdings nicht genau, welche Funktion diese Enzyme erfüllen. Eine Arbeitsgruppe um die Molekulargenetikerin Dr. Wenjing Qi von der Universität Freiburg steuert nun einige Antworten zu dieser Frage bei: In einer Studie in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine neu entdeckte Funktion.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Demnach könnte das Gen ENDU-2 dafür verantwortlich sein, Tumore im Körper aus der Distanz auszulösen. Außerdem hat das Team eine widersprüchliche Reaktion beobachtet: Bei Stress kann ENDU-2 sowohl zum Schutz des Organismus als auch zu dessen Zerstörung beitragen.

Die Forschenden untersuchten den Fadenwurm C. elegans, der bei solchen Studien sehr oft zum Einsatz kommt. Mehr als 60 Prozent der Gene ähneln sich bei Wurm und Mensch, darunter auch eines für ENDOU, dort ENDU-2 genannt. Die gängige Theorie der Tumorentstehung geht davon aus, dass Zellen erst dann zu Krebszellen werden, wenn sich in ihren Genen Fehler anreichern. Diese entstehen zum Beispiel durch Strahlen, Chemikalien oder das Altern. Qi zeigte bereits 2017, dass solche Fehler nicht in den Krebszellen selbst auftreten müssen, sondern auch woanders im Körper entstehen können – die Tumoren werden sozusagen ferngezündet. Die Forschenden vermuteten, dass die geschädigten Zellen dazu Signale aussenden, die dann die anderen Gewebe umprogrammieren. Das Signal dazu, ENDU-2, haben sie jetzt entdeckt.

„ENDOU und ENDU-2 werden nicht nur gezielt von gestressten Zellen ausgeschleust und im Körper herumgeschickt, sie können auch am Herkunftsort und in den Zielzellen an die Boten-mRNA von sehr vielen Genen binden“, erläutert Qi. Diese Boten-mRNAs sind die Arbeitskopien der Gene und werden als Blaupause für die Produktion aller Proteine und Enzyme gebraucht. Überraschend für die Forscherin war, dass ENDU-2 bei Stress zwei unterschiedliche Funktionen ausführen kann: Am Herkunftsort zerschneidet es die mRNA. Das reduziert den Stoffwechsel und verhindert, dass der sowieso schon gestresste Organismus fehlerhafte neue Proteine herstellt. Am Zielort bleibt die mRNA intakt, und ENDU-2 hilft diesen Zellen zu überleben. Dafür muss es aber genauestens dosiert werden, sonst können daraus Tumore entstehen.

Eine Schlussfolgerung daraus könnte sein, dass der Wurm bei großem Stress gezielt die Embryonen, also seinen Nachwuchs, beschützt. „Auf diese Weise scheint gewährleistet, dass der Organismus immer dann, wenn die Selbstheilungskräfte nicht für Mutter und Kind ausreichen, wenigstens für das Überleben der nächsten Generation sorgt“, mutmaßt Prof. Dr. Ralf Baumeister, der ebenfalls an der Studie beteiligt war und in dessen Abteilung Qi eine Arbeitsgruppe leitet. Die Freiburger Forschenden wissen inzwischen, dass der Verlust von ENDU-2 auch Stammzellen umprogrammieren kann – sie verlieren dann innerhalb weniger Generationen ihre Unsterblichkeit. Im nächsten Schritt will das Team erforschen, welche Bedingungen ENDU-2 dazu veranlassen, zwischen Zerstörung und Schutz zu unterscheiden.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Studie der Freiburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Zudem kooperieren sie mit BIOSS – Centre for Biological Signalling Studies und dem Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Wenjing Qi
Institut für Biologie III
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: +49-1525-361-5186
E-Mail: wenjing.qi@biologie.uni-freiburg.de

Prof. Dr. Ralf Baumeister
Institut für Biologie III, Zentrum für Biochemie und Molekulare Zellforschung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: +49-1522-292-8307
E-Mail: ralf.baumeister@biologie.uni-freiburg.de


Originalpublikation:

Qi, W., von Gromoff, E.D., Xu, F., Zhao, Q, Yang, W., Pfeifer, W., Maier, W., Long, L., and Baumeister, R. (2021) The secreted endoribonuclease ENDU-2 from the soma protects germline immortality in C. elegans. Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-021-21516-6


Weitere Informationen:

https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2020/ein-gen-sorgt-fuer-schutz-oder-zerstoerun…


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW