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27.09.2023 09:45
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Europaweite Premiere
Erstmals in Europa wurde am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) jetzt ein völlig neuartiger Herzschrittmacher eingesetzt.
Das kabellose, nur knapp vier Zentimeter große Gerät kann über einen venösen Zugang in der Leiste schonend eingesetzt und, wenn nötig, auch wieder entfernt werden; es hat eine nie dagewesene Batterielaufzeit und ermöglicht zudem erstmals eine drahtlose Zweikammer-Stimulation. In einer internationalen Studie, publiziert im New England Journal of Medicine, wurde die zuverlässige Funktion dieses drahtlosen Zweikammer-Systems bereits eindrucksvoll belegt.
Bei Patient:innen mit einer zu niedrigen Herzfrequenz kann zur Therapie ein Herzschrittmacher implantiert werden. Das Gerät überwacht den Herzrhythmus und gibt bei einem zu langsamen Herzrhythmus elektrische Impulse an den Herzmuskel ab.
Bei herkömmlichen Herzschrittmachern werden zwei drahtförmige Sonden über die Schlüsselbeinvene zum Herzen vorgeschoben. Der batteriebetriebene Herzschrittmacher, etwa so groß wie eine Streichholzschachtel, wird mit diesen Elektroden verbunden und unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt.
Trotz einer hohen Sicherheit für die Patient:innen sind diese etablierten Systeme mit Risiken verbunden: Zum einen kann es zum Bruch oder Isolationsdefekt der Sonden kommen, die den Schrittmacher funktionsunfähig machen. Zum anderen kann eine Besiedelung der Elektroden mit Keimen schwerwiegende Infektionen verursachen.
Die dann notwendige Entnahme der Elektroden ist oft schwierig und nicht immer komplikationslos, da die Sonden häufig mit der Venenwand und dem Herzen verwachsen sind.
Um diese Risiken zu mindern, sind seit etwa 10 Jahren kapselförmige Schrittmacher im Einsatz, die direkt in die rechte Herzkammer eingesetzt werden und ohne Sonden auskommen.
Die bisherigen sondenlosen Herzschrittmacher eigneten sich allerdings nur für Patient:innen, die ausschließlich eine Stimulation der rechten Herzkammer benötigen. Ist sowohl eine Stimulation im rechten Herzvorhof als auch in der rechten Herzkammer erforderlich (die sogenannte Zweikammer-Stimulation), musste bisher auf ein herkömmliches System mit zwei Elektroden zurückgegriffen werden.
Ein Team um Professor Dr. med. Gerhard Hindricks, Leiter des Bereichs Rhythmologie am Deutschen Herzzentrum der Charité hat einem 80-jährigen Berliner nun europaweit erstmalig einen kabellosen Schrittmacher aus den USA in die rechte Herzkammer eingesetzt, der sich perspektivisch mit einem weiteren kabellosen Schrittmacher im rechten Herzvorhof synchronisieren kann.
Eine in den USA durchgeführte und im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie mit 300 eingeschlossenen Patient:innen belegte über einen Zeitraum von 3 Monaten nach Implantation eine zuverlässige Schrittmacher-Funktion sowie eine sichere Kommunikation der im rechten Herzvorhof und der rechten Herzkammer eingesetzten kabellosen Schrittmachersysteme.
Das Gerät kann über einen Zugang in der Oberschenkelvene eingesetzt werden, so dass kein Schnitt im Bereich des Brustkorb mehr nötig ist, und hat weitere, bislang weltweit einzigartige Vorteile. So hat der neue Schrittmacher
– eine Batterielaufzeit von mehr als 17 Jahren, doppelt so lang wie bisher erhältliche kabellose Systeme,
– eine sogenannte „Mapping-Funktion“; das heißt, er misst elektrische Signale im Herzen bereits während der Implantation und ermöglicht damit den Ärzt:innen, das Gerät vor der endgültigen Verankerung exakt zu platzieren,
– einen speziellen Koppelungsmechanismus mit dem Katheter, der sowohl die Implantation als auch – wenn nötig – eine spätere Neupositionierung oder Entfernung deutlich einfacher machen soll als bei anderen Systemen.
Die europaweit ersten Implantationen wurden in der DHZC-Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Campus Virchow-Klinikum jetzt ohne Komplikationen durchgeführt.
„Wir freuen uns sehr, bei dieser wichtigen Innovation in Europa führend beteiligt zu sein“, sagt Professor Dr. med. Gerhard Hindricks, Leiter des Bereichs Rhythmologie am DHZC. „Denn allein in Deutschland brauchen jedes Jahr rund 110.000 Patient:innen erstmals oder erneut einen Herzschrittmacher. Wir sind überzeugt, dass wir vielen dieser Patient:innen in Zukunft eine noch bessere Lebensqualität ermöglichen können.“
Der Einsatz als Zweikammer-System steht in Europa noch unter dem Vorbehalt der Zulassung, mit der aber zum Ende des Jahres gerechnet wird.
Originalpublikation:
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2300080
Weitere Informationen:
https://www.dhzb.de/presse/news/detailansicht-meldungen/ansicht/pressedetail/eur… Zur Pressemitteilung
Bilder
Prof. Dr. Gerhard Hindricks, Leiter der DHZC-Rhythmologie, mit einem Modell des neuen Schrittmachers …
© Maier/DHZC
Schrittmacherpatient Jürgen Günther (80, Mitte) aus Berlin mit Mitgliedern des Ärzt:innenteams der K …
© Maier/DHZC
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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