Hausarztbesuche in Deutschland sind kurz aber häufig



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19.10.2023 09:00

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Hausarztbesuche in Deutschland sind kurz aber häufig

Der Austausch zwischen Ärzten/-innen und Patienten/-innen ist ein Schlüsselfaktor für gute Versorgung, insbesondere im hausärztlichen Sektor. Wie viel Zeit für die ärztliche Untersuchung und Beratung, die sogenannte Kontaktzeit, allerdings angemessen ist, darüber besteht weder in der gesundheitspolitischen noch in der wissenschaftlichen Diskussion Einigkeit. Eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim, unterstützt durch die Strube Stiftung, zeigt, dass sich die hausärztliche Versorgung und die Vergütung für hausärztliche Leistungen zwischen europäischen Ländern stark unterscheiden.

In den Daten fällt Deutschland im Vergleich dadurch auf, dass Patienten nur wenig Zeit beim Arztbesuch verbringen, aber viele Termine wahrnehmen.

„Für die gesundheitspolitische Diskussion über die Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung muss geklärt werden, ob diese Form der Leistungserbringung gesellschaftlich gewünscht und wirtschaftlich nachhaltig ist“, so Prof. Dr. Simon Reif, Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW und Ko-Autor der Studie.

Zusammenhang zwischen Vergütungssystem und Kontaktzeit

Die ZEW-Wissenschaftler/innen haben neben einer systematischen Analyse der bestehenden Literatur deskriptive Daten aus verschiedenen europäischen Ländern verglichen und qualitative Interviews mit Ärztinnen und Ärzten geführt. Ein Faktor, der deutlich mit der durchschnittlichen Kontaktzeit zusammenhängt, ist die Art, wie ärztliche Leistungen vergütet werden. Länder, in denen jede Leistung einzeln abgerechnet wird, haben im Schnitt die längsten Kontaktzeiten, Länder mit leistungsunabhängiger Vergütung die kürzesten Kontakte.

Sabrina Schubert, Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ und Ko-Autorin der Studie, erklärt: „Es fällt außerdem auf, dass es einen fast linearen Zusammenhang zwischen durchschnittlicher Kontaktzeit und Kontakthäufigkeit gibt. Die Art, wie das Vergütungssystem gestaltet ist, kann also ein Hebel sein, um die gewünschte Leistungserbringung zu erreichen.“

Fehlende Daten erschweren robuste Evidenz

Aktuell ist die Studienlage zur optimalen hausärztlichen Versorgung sehr uneinheitlich. Während über verschiedene Studien hinweg gezeigt wurde, dass erfahrenere Ärzte/-innen weniger Zeit für ihre Sprechstunden benötigen oder Patienten/-innen mit höherem sozioökonomischem Status längere Behandlungsgespräche haben, ist der Zusammenhang zwischen Kontaktzeit und Behandlungsqualität strittig. „Die unklare Studienlage liegt insbesondere an den fehlenden Daten, um solche Zusammenhänge empirisch quantifizieren zu können“, erläutert Ko-Autor Jan Köhler, ebenfalls Wissenschaftler in der ZEW-Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“. „Um die Gesundheitsversorgung evidenzbasiert weiterentwickeln zu können, ist hier eine bessere Datenerhebung und die Durchführung von Studien, die kausale Rückschlüsse ermöglichen, unerlässlich.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Simon Reif
Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“
Telefon +49 (0)621 1235-171
E-Mail: simon.reif@zew.de


Originalpublikation:

https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/Studie_Kontaktzeiten_Hausarzte_in_Euro…


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Medizin, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW