Klar überlegen

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29.10.2020 11:25

Klar überlegen

Eine auf künstlicher Intelligenz basierende Echtzeitvorhersage für akutes Nierenversagen übertrifft die Vorhersageleistung des Menschen. Das haben Mediziner*innen am Deutschen Herzzentrum Berlin jetzt nachgewiesen.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Das akute Nierenversagen ist eine relativ häufige, aber schwerwiegende und oft zu spät diagnostizierte Komplikation unmittelbar nach Herzoperationen.

Für die Ärztinnen und Ärzte auf der Intensivstation ist es oft sehr schwierig, unter den vielen kontinuierlich ermittelten Überwachungsdaten frühzeitige Anzeichen eines Nierenversagens „herauszulesen“, noch bevor es zu echten Symptomen kommt.

Ein Team um DHZB-Mediziner PD Dr. Alexander Meyer hat dafür nun eine künstliche Intelligenz entwickelt, die ein drohendes Nierenversagen besser als der Mensch vorhersagen kann und damit rechtzeitige gezielte Behandlungsmaßnahmen ermöglicht.

Dazu bauten Meyer und seine Kolleg*innen ein sogenanntes „rekurrentes neuronales Netzwerk (RNN)“ auf, das dann auf Basis der anonymisierten Daten von über 15.000 Patient*innen zu Früherkennung des akuten Nierenversagens „trainiert“ wurde.

Die Leistung dieser künstlichen Intelligenz wurde mit der von erfahrenen Klinikerinnen und Klinikern verglichen, indem tatsächliche Fälle von Nierenversagen anhand der gespeicherten Daten „nachgespielt“ wurden.

Im Ergebnis war das RNN dem Menschen klar überlegen.

Die Ergebnisse haben Alexander Meyer und seine Kolleg*innen jetzt im „nature partner journal (npj) Digital Medicine“ publiziert.

Erstautorin ist die Ärztin und Physikerin Nina Rank, die über das Thema im Fach Humanmedizin promovieren wird und derzeit einen Masterstudiengang in Bioinformatik an der Universität KU Leuven in Belgien absolviert.

„npj Digital Medicine“ ist eine internationale, von Fachkolleg*innen begutachtete Open-Access-Zeitschrift, die sich der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen höchster Qualität widmet, die für alle Aspekte der digitalen Medizin und Gesundheit relevant sind.

Die Zeitschrift gehört zur Publikationsgruppe von Nature, einer der renommiertesten Fachzeitschriften der Welt.

Der gelernte Informatiker PD. Dr. Alexander Meyer ist in Ausbildung zum Facharzt für Herzchirurgie am Deutschen Herzzentrum Berlin und leitet als Chief Medical Information Officer die Entwicklung der digitalen Medizin am DHZB.

Er gehört zu den Studienleitern (PI) des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten neuen Berliner Zentrums für Maschinelles Lernen (BZML).

Eine von Alexander Meyer maßgeblich entwickelte Software ermöglicht die Vorhersage zahlreicher weiterer postoperativer Komplikationen und wird am DHZB bereits im Testbetrieb wissenschaftlich evaluiert.

Grundlagen und Studienergebnisse wurden bereits mehrfach publiziert, darunter auch in „Lancet Respiratory Medicine“, dem Fachableger von „The Lancet“.

„Wir können und wollen den Intensivmedizinerinnen und Intensivmediziner die Entscheidungen nicht abnehmen“, betont Alexander Meyer. „Aber wir wollen ihnen dabei helfen, die richtige Entscheidung sehr früh zu treffen – und ihren Patientinnen und Patienten damit vielleicht das Leben zu retten“.


Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41746-020-00346-8


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW