31.08.2021 11:15
Kombinierte Tumorimpfung verstärkt krebsabtötende Immuneffekte
Wirkmechanismus der Mischimpfung gegen Krebs aufgedeckt: Die Kombination zweier Impfstoffe ist nicht nur gegen COVID-19 vielversprechend – sondern auch bei Krebs. In einer gemeinsamen Studie mit der Med-Uni Wien und Biotech-Partnern aus der pharmazeutischen Industrie ist es einem Team um den Krebsexperten Guido Wollmann von der Medizinischen Universität Innsbruck gelungen, die Vorteile der heterologen Tumorimpfung zu beleuchten.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Innsbruck, am 31. August 2021: Das Prinzip der Immuntherapie, bei der das körpereigene Abwehrsystem gegen einen Tumor scharfgemacht werden soll, ist bereits mehr als hundert Jahre alt. Parallel verfolgt die Forschung seit langer Zeit das Konzept der Krebsimpfung, welche die Wirkung der Immuntherapie zusätzlich befeuern soll, indem sie den Abwehrzellen einen – von allen schädlichen Eigenschaften befreiten – Tumorbestandteil präsentiert. WissenschafterInnen um Guido Wollmann, Leiter des Christian-Doppler-Forschungslabors für Virale Immuntherapie gegen Krebs am Institut für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck, haben zusammen mit Kooperationspartnern die Mechanismen geklärt, die hinter der verbesserten Ansprechrate auf so genannte heterologe Tumorimpfungen stecken. Die Ergebnisse sind heute im renommierten Fachjournal Nature Communications veröffentlicht worden.
Drei starke Effekte der Mischimpfung
„Wir wollten untersuchen, ob ein Mehrwert erzeugt werden kann, wenn wir unser reines onkolytisches Virus VSV-GP mit dem auf einem Protein basierenden Krebsvakzin KISIMA-TAA des Genfer Start-ups AMAL Therapeutics kombinieren“, schildert Wollmann die Ausgangslage des Projektes vor vier Jahren. Der erwünschte Synergie-Effekt blieb jedoch aus, woraufhin die Innsbrucker WissenschafterInnen ihre verwendete tumorabtötende Virusvektor-Impfung VSV-GP mit dem in KISIMA-TAA ebenfalls vorhandenen Fragment der Erbinformation eines Tumors zu VSV-GP-TAA aufrüsteten und das Virus damit zugleich als Genfähre benutzten. Die KrebsexpertInnen testeten die Wirkweise der Kombinationsimpfung in vier verschiedenen Tumormodellen und damit in deutlich mehr als bisherige Publikationen. Die Modelle repräsentierten jeweils unterschiedliche Tumorarten beim Menschen. Zudem wurden auch verschiedene Tumor-Antigen-Klassen (z.B. Virusantigene oder jene von Tumormutationen) adressiert. Dabei stellte sich heraus, dass die günstigste Kombination in einer Erstimpfung (Primer) mit der Proteinplattform KISIMA und der Auffrischung (Booster) mit der Virusvektor-Impfung besteht. Im Wesentlichen konnten dadurch drei positive Effekte erzielt werden:
1. Die T-Zellen (sog. Wächterzellen) zeigen sich deutlich potenter und polyfunktioneller, indem sie beispielsweise wesentlich mehr Zytokine und weitere Substanzen zur Tumorabtötung freisetzen. In der Verteilung der T-Zellen-Phänotypen gibt es eine Entwicklung hin zu mehr langlebigen Wächterzellen mit Gedächtnisfunktion.
2. Bei der Injektion eines onkolytischen Virusvektor-Vakzins kommt es zu einer Infektion im Inneren des Tumors. Das Immunsystem nimmt das Virus als Pathogen wahr. „Tumore haben tendenziell ein immunhemmendes Umfeld. Die Virusinfektion öffnet die Tore zum Tumor. Wir haben gesehen, dass es in der heterologen Kombination zur stärksten Einwanderung von zytotoxischen T-Zellen, zur starken Infiltration mit dendritischen Zellen sowie zu einer Repolarisierung der Fresszellen vom hemmenden Typ hin zu aktivierten Fresszellen“, erläutert Wollmann.
3. Am Modell eines Tumors, der von Vornherein bisher nicht auf die Immuntherapie anspricht, stellte sich heraus, dass die Effekte der Mischimpfung durch die zusätzliche Gabe der Checkpoint-Inhibitor-Therapie (Immuntherapie-Art, Anm.) verstärkt werden.
Für ihre Analyse der T-Zellen in Qualität und Quantität zogen die ForscherInnen die Methode der Durchflusszytometrie heran. Nach den unterschiedlichen Behandlungsstrategien erhoben sie außerdem jeweils ein Genexpressionsprofil, das veranschaulichte, welche Gene hoch- bzw. herunterreguliert werden.
Bedeutung und Ausblick
„Unsere Studie hat wissenschaftliche Grundlagen gesetzt, welche die Vorteile der heterologen Vakzin-Kombination aufzeigen und das mit zwei Plattformen, die sich schon in fortgeschrittener präklinischer bzw. klinischer Entwicklung befinden. Daher ist ein zeitnaher Beginn der klinischen Testphase der Mischimpfung mit KISIMA-TAA und VSV-GP-TAA geplant“, stellt Wollmann in Aussicht. An der Studie waren neben Wollmanns Christian-Doppler-Labor und AMAL Therapeutics, das Innsbrucker Biotech-Startup Viratherapeutics, ein Team um den Pathologen Lukas Kenner (Department für Experimentelle Pathologie, Medizinische Universität Wien und Institut für Pathologie der Veterinärmedizinische Universität Wien) sowie das pharmazeutische Unternehmen Boehringer Ingelheim beteiligt.
Steckbrief:
Guido Wollmann hat in Berlin Medizin studiert. Er arbeitete an der Yale-University (USA) an der Entwicklung einer onkolytischen Virentherapie gegen das Glioblastom, eine Form des Gehirntumors. Seit Ende 2014 führt Wollmann seine Forschung am Institut für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck weiter, wo er das Christian-Doppler-Labor für Virale Immuntherapie von Krebs leitet.
Medienkontakt:
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Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.100 MitarbeiterInnen und ca. 3.400 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr.med. Guido Wollmann
Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie
Tel.: +43 512 9003 71742
E-Mail: Guido.Wollmann@i-med.ac.at
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1038/s41467-021-25506-6 A modular self-adjuvanting cancer vaccine combined with an oncolytic vaccine induces potent antitumor immunity; Nat Commun 12, 5195 (2021).
Weitere Informationen:
Guido Wollmann erklärt die Studienergebnisse im Video
https://i-med.ac.at/mypoint/news/709036.html CD-Labor für virale Immuntherapie von Krebs
https://virologie.i-med.ac.at/ Institut für Virologie an der Med Uni Innsbruck
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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