Krieg und Sozialpsychologie



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21.10.2022 11:47

Krieg und Sozialpsychologie

Ein Symposion von Goethe-Uni und Sigmund-Freud-Institut geht den psychosozialen Bedingungen und Folgen des Krieges auf den Grund.

Es herrscht Krieg in Europa. Doch wie lassen sich die affektiven und moralischen Dynamiken von Krieg und Kriegsfolgen verstehen? Welche psychischen Folgen haben die veränderten Lebensbedingungen für die Menschen? Und welche Rolle spielt dabei die mediale Darstellung? Solchen Fragen widmet sich das Symposion „Krieg und Kriegsfolgen aus sozio- und psychoanalytischer Sicht“

am 27. Oktober von 12:30 bis 19:30 Uhr
am Sigmund-Freud-Institut; Myliusstr.20, 60323 Frankfurt/M.

Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der Goethe-Universität, dem Sigmund-Freud-Institut (SFI), der Internationalen Universität für Psychoanalyse (IPU) Berlin und dem Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrum (KKC) an der Universität Bochum organisiert. Sie ist Teil einer Veranstaltungsreihe zu Sozioanalyse und Psychoanalyse, die abwechselnd in Bochum, Frankfurt und Berlin stattfindet und zudem verbunden mit der Clusterinitiative ConTrust.

Zum Auftakt führt Prof. Vera King in das Tagungsthema ein und verortet es in der Programmatik der gesamten Veranstaltungsreihe. King ist Geschäftsführende Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts und Professorin für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie an der Goethe-Universität sowie Principal Investigator in der Clusterinitiative ConTrust.

Prof. Dr. Heinz Weiß, Leiter des medizinischen Bereichs und der Ambulanz am Sigmund-Freud-Institut sowie Chefarzt am Robert-Bosch-Klinikum Stuttgart, erläutert, wie die Psychoanalyse sich immer wieder mit der Dynamik kriegerischer Auseinandersetzungen befasst hat. Die Disziplin ist selbst in einer Zeit epochaler Umwälzungen entstanden, ihre Protagonisten waren geprägt durch das Erleben zweier verheerender Kriege, wie auch anhand von Sigmund Freuds Arbeit „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“ (1915) sowie seinem Briefwechsel mit Albert Einstein „Warum Krieg?“ (1932) nachgezeichnet wird. Weiß geht aber auch auf neuere Konzepte ein, etwa auf psychische Dynamiken der Spaltung und Projektion in Gruppenprozessen, beides in Zusammenhang mit Ideologiebildung und Propaganda. Weiß‘ Beitrag wird kommentiert von Prof. Dr. Pawel Dybel vom Institut für Philosophie und Soziologie an der Polnischen Akademie der Wissenschaften Warschau und an der Pädagogischen Universität Krakau.

Prof. Dr. José Brunner, em. Professor an der Buchmann-Fakultät für Rechtswissenschaften und am Cohn-Institut für Wissenschafts- und Ideengeschichte an der Universität Tel Aviv, hat seinen Vortrag mit dem Titel „Jenseits von Scham und Schuld? Anmerkungen zum Leben im Israel-Palästina Konflikt“ überschrieben. Er geht darin gewissen Verdoppelungen des Erlebens von Wirklichkeit nach, wie sie sich typischerweise einstellen, wenn Krieg zum Alltag gehört. Am Beispiel Israels arbeitet er kollektive und individuelle Abwehrmechanismen heraus, die in Kriegssituationen wirksam werden. Brunner zeigt auf, wie die Abwehrmechanismen ineinandergreifen und sich ergänzen und wie dabei Scham und Schuldgefühle aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängt werden. Der Vortrag wird kommentiert von Vera King.

Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Professor für Filmwissenschaft und Co-Sprecher der Clusterinitiative „Vertrauen im Konflikt“ (ConTrust) an der Goethe-Universität spricht über mediale Konfiguration bewaffneter Konflikte. Hybride Kriegsführung ist nach Hediger auch eine Form der Kulturproduktion. Und Kommunikation wird in einem Konflikt wie dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mehr noch als in den bereits stark mediatisierten Kriegen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts als Waffe eingesetzt: Über Soziale Medien und teils auch in traditionellen Massenmedien verbreiten die Kriegsparteien Erzählungen über den Krieg, die am Krieg vermeintlich Unbeteiligte zum Publikum und das Publikum zur Partei machen. Hediger analysiert insbesondere die Formen affektiver Ansprache und Einbindung. Den Beitrag kommentiert Prof. Dr. Christine Kirchhoff, Psychoanalytikerin und Professorin für Psychoanalyse, Subjekt- und Kulturtheorie an der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin.

Prof. Dr. em. Karola Brede, Goethe-Univ. Frankfurt/M., Soziologin und ehemalige Mitarbeiterin am Sigmund-Freud-Institut Frankfurt/Main, schließlich spricht zum Thema „Verdrängung und Identifizierung: Über das Illusionäre im Verhältnis zu Krieg und Grausamkeit“. Darin wirft sie die Frage nach der Aussetzung des Tötungsverbots im Krieg auf. Sie erörtert die Unterschiede im Umgang damit in den kriegsbeteiligten Ländern Russland und Ukraine, aber auch in Deutschland. Welche kulturspezifischen Einstellungen zum eigenen Tod und dem des jeweiligen Feindes liegen dem zugrunde? Ihr Beitrag wird kommentiert von Dr. Pradeep Chakkarath, Kulturwissenschaftler und Co-Direktor des Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrums (KKC) sowie Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie von Prof. Dr. Jürgen Straub, einem der Mitinitiatoren der Veranstaltungsreihe, an der Ruhr-Universität Bochum.
Die Tagung findet statt im Hörsaal des Sigmund-Freud-Institut, Myliusstr. 20 in Frankfurt/M., wobei sie auch Online übertragen wird.

Teilnahme:
Die Veranstaltung findet sowohl in Präsenz als auch online statt, allerdings sind nur noch Plätze für die Onlinekonferenz verfügbar. Anmeldung: https://www.sigmund-freud-institut.de/index.php/anmeldeformular/

Veranstaltungsflyer zum Download unter: https://www.uni-frankfurt.de/127019823


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Vera King
Professur für Soziologie und Psychoanalytische Sozialpsychologie
Institut für Soziologie
E-Mail: king@soz.uni-frankfurt.de


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Politik, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch


 

Quelle: IDW