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15.08.2023 13:41
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Mit individueller Immuntherapie schwere EBV-Infektionen behandeln
Körperfremde Immunzellen können das geschwächte Immunsystem von schwerkranken Menschen unterstützen. Eine multizentrische Untersuchung unter Führung der MHH hat das jetzt auch für schwere Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) nachgewiesen.
Wenn bei Erkrankungen wie schweren Virusinfektionen oder damit assoziierten Krebserkrankungen herkömmliche Behandlungsmöglichkeiten versagen, kommt die sogenannte adoptive Immuntherapie ins Spiel. Bei diesem Verfahren werden lebende Immunzellen von Gesunden isoliert, gegebenenfalls vermehrt, bei Bedarf behandelt und dann transplantiert. Vor allem T-Zellen sind vielversprechende Kandidaten, da sie die krankmachenden Antigene passgenau erkennen und ihre Zielzellen töten können. Auf diese Weise soll eine spezifische zelluläre Immunität auf die Patientinnen und Patienten übertragen werden. In einer multizentrischen Fallserie hat ein Team der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) um Professorin Dr. Britta Eiz-Vesper vom Institut für Transfusionsmedizin und Transplant Engineering und Professorin Dr. Britta Maecker-Kolhoff aus der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie nun gezeigt, dass die Methode auch bei schweren Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) helfen kann.
Das Virus kann eine infektiöse Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber) verursachen und steht in Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs. Die Forschenden stellten EBV-spezifische, personalisierte T-Zellen her, um die Abwehrkräfte immungeschwächter Menschen gegen das Virus zu stärken. Die genau auf die Kranken zugeschnittenen T-Zellen stammen von Stammzellspenden, Fremdspenden Verwandter sowie von Fremdspenden Nicht-Verwandter aus dem weltweit einmaligen T-Zell-Spenderregister alloCELL der MHH. Dieses besteht seit 2013 und führt inzwischen mehr als 4.000 potenzielle Spenderinnen und Spender. Gerade ist das 500. T-Zell-Produkt hergestellt worden, ein personalisiertes Therapeutikum für einen Menschen mit Adenovirusinfektion nach Stammzelltransplantation. In der multizentrischen Untersuchung stellten die Forschenden EBV-spezifische T-Zellen für 37 Patientinnen und Patienten her, die teils nach Transplantation oder wegen einer wiederkehrenden EBV-Infektion schwer erkrankt waren. „Etwa 75 bis 80 Prozent der Betroffenen haben auf die Behandlung angesprochen“, sagt Professorin Maecker-Kolhoff. „Die Zelltherapie war insgesamt sehr gut verträglich.“ Die Ergebnisse der Untersuchung sind in der Fachzeitschrift The Journal of Clinical Investigation veröffentlicht worden.
Maßgeschneiderte Immuntherapie für Immungeschwächte
„Dank unserer Erfahrung sind wir in der Lage, die T-Zellen innerhalb weniger Tage herzustellen“, sagt Professorin Eiz-Vesper. Das gelingt so zügig, weil im alloCELL-Register nicht nur die HLA-Gewebemerkmale der Blutzellen gespeichert sind, sondern gleichzeitig auch die Anzahl spezifischer T-Gedächtniszellen gegen die unterschiedlichen Viren. „So können wir für eine Zelltherapie sehr schnell wirksame und verträgliche T-Zellen von Spendern verwenden, auch wenn sie mit den potenziellen Empfängern nicht verwandt sind.“ Der Transfer von EBV-spezifischen T-Zellen konnte die Abwehrmöglichkeiten der immungeschwächten Betroffenen wiederherstellen. „Die Patientinnen und Patienten haben von der maßgeschneiderten Immuntherapie erheblich profitiert“, stellt Professorin Maecker-Kolhoff fest. „Der Erfolg der Behandlung zeigt sich sowohl im Absinken der Viruslast als auch im Rückgang der im Zusammenhang mit der EBV-Infektion stehenden Symptome.“
Schnell herzustellen, klinisch wirksam und gut verträglich lautet die Bilanz der Immuntherapie. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass der Transfer der EBV-spezifischen T-Zellen ein vielversprechender therapeutischer Ansatz ist, um immungeschwächte Menschen mit lebensbedrohlicher EBV-Infektion erfolgreich zu behandeln“, sagt die Kinder-Hämatologin.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Weitere Informationen erhalten Sie bei Professorin Dr. Britta Eiz-Vesper, eiz-vesper.britta@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-9715
Originalpublikation:
Die Originalarbeit „Patient-tailored adoptive immunotherapy with EBV-specific T cells from related and unrelated donors” finden Sie hier.
Bilder
Bildunterschrift Foto 1: Die T-Zellen werden maschinell aus dem Blut der Spender herausgefiltert.
Copyright: Karin Kaiser / MHH
Copyright: Karin Kaiser / MHH
Ermöglichen individuelle Immuntherapien mit maßgeschneiderten T-Zellen: Professorin Dr. Britta Maeck …
Copyright: Karin Kaiser / MHH
Copyright: Karin Kaiser / MHH
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
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Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
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