Quantenmaschinelles Lernen auf den Kopf gestellt



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14.03.2024 11:26

Quantenmaschinelles Lernen auf den Kopf gestellt

Neue „Nature Communications“-Studie von Quantenphysikern der Freien Universität Berlin könnte Paradigmenwechsel beim Verständnis von Quantenmodellen bedeuten

Maschinelles Lernen verändert die Welt: In einer Vielzahl von Algorithmen, die Vorhersagen basierend auf Daten machen, kommen verschiedene Ideen des Maschinenlernens zum Einsatz. Algorithmen der künstlichen Intelligenz wie ChatGPT und andere generative Modelle sind in aller Munde. Andererseits werden Quantencomputer als völlig neuartige Rechner der Zukunft gehandelt, und so wird auch rege an der Frage geforscht, ob Quantenrechner Probleme des Maschinenlernens besser lösen können. Nun stellt ein Forschungsteam der Freien Universität Berlin ein herkömmliches Verständnis zum maschinellen Lernen mit Quanten infrage. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass neuronale Quantennetzwerke nicht nur lernen, sondern sich auch scheinbar zufällige Daten merken können. Ihre Studie mit dem Titel „Understanding quantum machine learning also requires rethinking generalization” ist gerade im Fachmagazin „Nature Communications“ erschienen: (https://www.nature.com/articles/s41467-024-45882-z ).

Quantenrechner sind Computer, deren einzelne Recheneinheiten auf anderen physikalischen Grundprinzipien basieren als dies bei gewöhnlichen Computern der Fall ist: Hier rechnet man mit einzelnen Atomen, Ionen oder supraleitenden Schaltkreisen, die den Gesetzen der Quantenmechanik gehorchen. Während solche Rechner bis vor Kurzem noch interessante Zukunftsmusik waren, gibt es nun schon erste derartige Maschinen mit hunderten von Recheneinheiten, die allerdings noch in den experimentellen Kinderschuhen stecken. In der Annahme, dass solche Computer künftig manche, wichtige Probleme sehr viel schneller als existierende moderne Superrechner lösen können, erforscht die Wissenschaft im neuen Forschungsfeld des quantenmaschinellen Lernens schon jetzt deren rechnerisches Potenzial für Anwendungen des Maschinenlernens.

In der neuen „Nature Communications“-Studie konzentrierte sich das Forschungsteam der Freien Universität Berlin auf sogenannte quanten-neuronale Netze – einem vielversprechenden Ansatz im Bereich des quantenmaschinellen Lernens. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass diese Quantennetzwerke nicht nur lernen, sondern sich auch scheinbar zufällige Daten merken können. Die neuen Forschungsergebnisse widersprechen damit dem traditionellen Verständnis der Verallgemeinerung beim quantenmaschinellen Lernen.

„Es ist, als würde man herausfinden, wie ein Sechsjähriger neben dem Einmaleins beliebige Zahlenfolgen auswendig lernt“, sagt Elies Gil-Fuster, Erstautor der Studie, der an der Freien Universität Berlin und am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut forscht. „Unsere Experimente zeigen, dass diese neuronalen Quantennetze unglaublich gut darin sind, zufällige Daten und Bezeichnungen anzupassen, was die Grundlagen unseres Verständnisses von Lernen und Verallgemeinerung in Frage stellt.“

Die Auswirkungen dieser Entdeckung könnten weitreichend sein: Traditionelle Messgrößen zur Messung der Generalisierungsfähigkeit maschineller Lernmodelle wie etwa die VC-Dimension oder die Rademacher-Komplexität, wie sie in diesem Forschungsfeld untersucht werden, werden infrage gestellt. Quanten-neuronale Netze scheinen über eine inhärente Gedächtnisfähigkeit zu verfügen, was neue Wege für die Erforschung sowohl des theoretischen Verständnisses als auch der praktischen Anwendung von Quantenrechnern im Maschinenlernen eröffnet.

„Das bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass quantenmaschinelles Lernen zu einer schlechten Verallgemeinerung verurteilt ist, aber es bedeutet, dass wir überdenken müssen, wie wir das Problem angehen“, erklärt Prof. Jens Eisert, der die Forschungsgruppe an der Freien Universität Berlin leitet und auch mit dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut affiliiert ist. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass wir einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise brauchen, wie wir Quantenmodelle für maschinelle Lernaufgaben konzipieren und bewerten.“

Die Forschungsarbeit stellt den Wissenschaftlern zufolge einen bedeutenden Fortschritt im Verständnis des quantenmaschinellen Lernens und seiner möglichen Anwendungen dar. Indem sie den Status Quo herausfordert, ebnet die Studie den Weg für neue Erkenntnisse und Entwicklungen in diesem dynamischen Forschungsgebiet.

„So wie die bahnbrechenden Entdeckungen der Physik unser Verständnis des Universums verändert haben, kann diese Studie möglicherweise die Zukunft der Modelle des Quantenmechanischen Lernens neu definieren“, betonten die FU-Forscher: „Da wir an der Schwelle zu einer neuen Ära der Technologie stehen, könnte das Verständnis solcher Nuancen der Schlüssel zur Erschließung von Fortschritten im Bereich des quantenmaschinellen Lernens sein.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Jens Eisert, Freie Universität Berlin, Dahlem Center for Complex Quantum Systems, Physics Department, E-Mail: jense@zedat.fu-berlin.de
Elies Gil Fuster, Freie Universität Berlin, Dahlem Center for Complex Quantum Systems, Physics Department, E-Mail: emgilfuster@gmail.com


Originalpublikation:

Die Studie „Understanding quantum machine learning also requires rethinking generalization” ist abrufbar unter:https://www.nature.com/articles/s41467-024-45882-z


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Informationstechnik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW