Schlaganfall-Rehabilitation: Technologische Unterstützung durch Roboter und funktionelle Elektrostimulation am Prüfstand



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15.04.2021 12:34

Schlaganfall-Rehabilitation: Technologische Unterstützung durch Roboter und funktionelle Elektrostimulation am Prüfstand

Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) analysierte klinischen Nutzen neuer Methoden zur Ergänzung von Standardtherapien

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wien, April 2021.
Einige Roboter können bei der Rehabilitation von Schlaganfall-Patient*innen als Ergänzung einer Standardtherapie einen klinischen Zusatznutzen schaffen. Für eine andere Methode, die funktionelle elektrische Stimulation einzelner Muskeln oder Muskelgruppen, kann ein solcher Zusatznutzen nicht nachgewiesen werden. Das sind die Ergebnisse einer auf wissenschaftlicher Evidenz basierenden Studie, die das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) gemeinsam mit einer deutschen Leitlinienarbeitsgruppe durchgeführt und nun veröffentlicht hat. Nach kritischer Analyse von über 53 Studien empfiehlt das AIHTA daher nun in jedem Fall eine gesundheitsökonomische Evaluation vor dem Einsatz dieser Therapieergänzungen.

Jährlich verändert sich allein in Österreich das Leben für 25.000 Personen urplötzlich: sie erleiden einen Schlaganfall, und zahlreiche von ihnen haben anschließend Lähmungen der unteren oder oberen Extremitäten. Zeitnahe Rehabilitationsmaßnahmen helfen ihnen aber oftmals, umfassende Beweglichkeit zurückzuerlangen, wobei Gehen und Alltagsaktivitäten primäre Rehabilitationsziele sind. Doch gute Rehabilitationsprogramme sind ressourcenintensiv und große Hoffnung wird daher, u. a., in deren Ergänzung durch Roboter oder durch die funktionelle Elektrostimulationen der Muskeln gesetzt. Inwieweit diese Maßnahmen aber einen wirklichen klinischen Zusatznutzen erzielen, hat nun das AIHTA gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe (ReMoS/ Rehabilitation der Mobilität nach Schlaganfall – AG) der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften untersucht.

Basis der umfassenden Analyse waren dabei insgesamt über 55 randomisierte klinische Studien und ein Cochrane Review. Diese Studien untersuchten den konkreten Einsatz von roboterassistierter Rehabilitation (RAR) sowie funktioneller Elektrostimulation (FES) in verschiedenen Therapiesituationen. „Die Bandbreite der zur Verfügung stehenden Geräte ist sowohl für die RAR als auch die FES ausgesprochen groß“, kommentiert Priv. Doz. Dr. Claudia Wild, Direktorin des AIHTA. „Entsprechend groß sind auch die Erwartungen, die aber – das zeigt unsere Studie – leider nur teilweise erfüllt werden. So konnten wir zwar für manche Interventionen der RAR in Kombination mit einer Standardtherapie einen Zusatznutzen im Vergleich zur Standardtherapie ohne RAR feststellen, für die FES aber nicht.“

Tatsächlich können manche Arten der RAR den Therapieverlauf, insbesondere beim Einsatz der RAR bei der Armrehabilitation von Schlaganfallpatient*innen im subakuten Stadium, begünstigen. Der Nachweis eines Zusatznutzens der RAR als Unterstützung zum Gangtraining ist jedoch schwächer. Ursächlich für diese Verbesserungen sind, so vermutet man, ein intensiveres und häufigeres Training der Patient*innen, das dabei ohne zusätzlichen Aufwand für Physiotherapeut*innen erreicht wird. „Der Einsatz der RAR kann also durchaus sinnvoll sein“, resümiert Dr. Wild. „Er kann die Therapieergebnisse verbessern und womöglich sogar dazu beitragen, Physiotherapeut*innen zeitlich und körperlich zu entlasten. Doch empfehlen wir, den Einsatz gesundheitsökonomisch zu evaluieren, weil der Zusatznutzen nicht für alle Roboter nachgewiesen werden konnte und eine gewisse Heterogenität der Produkte zu verzeichnen ist. Bei dieser Analyse sollte zusätzlich der Schweregrad des Schlaganfalls sowie die therapeutischen Rahmenbedingungen mit in die Evaluierung einfließen“.

Die FES hingegen enttäuschte die Erwartungen an einen zusätzlichen Nutzen. Diese Erwartungen betreffen vor allem eine Stärkung der von Lähmungen betroffenen Muskeln mittels externer elektrischer Stimulation sowie eine verbesserte Durchblutung bzw. einen besseren Blutfluss. Für die Untersuchung des Nutzens der FES wurden vom AIHTA und den deutschen Kolleg*innen insgesamt 26 klinische Studien ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Begleitung einer Standardtherapie mit Elektrostimulation kaum zusätzlichen Nutzen ergab. Es gibt jedoch Evidenz, die nahe legt, dass eine Subintervention der FES (FES mit Oberflächenelektroden beim Gehen) einer herkömmlichen Fußgelenksorthese nicht unterlegen ist. Eine gesundheitsökonomische Evaluierung könnte auch in diesem Fall sinnvoll sein. Zusätzlich laufen sechs weitere randomisierte Kontrollstudien, die einen klinischen Zusatznutzen der FES untersuchen. Für Dr. Wild eine willkommene Ergänzung der Datengrundlage, die vielleicht auch neue Erkenntnisse liefern mag.

Insgesamt zeigt die nun online verfügbare Studie ein gemischtes Bild über den klinischen Nutzen fortschrittlicher Zusatztherapien bei der standardmäßigen Rehabilitation von Schlaganfalls-Patient*innen. Manche Interventionen der RAR bieteen einen Zusatznutzen, die FES eher nicht. Eine kritische Evaluierung ist daher vor dem Einsatz in der Standardtherapie in jedem Fall anzuraten.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Gregor Goetz, MSSc MPH
gregor.goetz@aihta.at


Originalpublikation:

https://eprints.aihta.at/1302/1/HTA-Projektbericht_Nr.128.pdf


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch


Quelle: IDW