02.09.2020 09:02
Tumore finden und dabei gleich angreifen
Die Kombination aus einem Biomolekül und einem Metallkomplex kann Krebszellen gezielt aufsuchen, binden, markieren und schädigen. Ein solches sogenanntes Theranostikum, das Tumorzellen durch die Bestrahlung mit sichtbarem Licht erkennbar macht, konnte ein deutsch-spanisches Team herstellen und seine Wirksamkeit gegen Lungenkrebszellen belegen. Einen Teil der Arbeiten führte Andres Luengo aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. M. Concepción Gimeno der Universität Zaragoza (Spanien) in einem Forschungsaufenthalt in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Nils Metzler-Nolte an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) durch.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Das internationale Forschungsteam berichtet in der Coverstory der Zeitschrift Chemistry – A European Journal vom 31. August 2020.
Sichtbar machen und behandeln in einem Schritt
Theranostik, die Kombination aus „Therapie“ und „Diagnostik“, bezieht sich auf Medikamente, die nicht nur zur Behandlung, sondern auch zur Sichtbarmachung von Tumoren genutzt werden können. Das Prinzip ist so simpel wie genial: Geht es zum Beispiel um die Behandlung von Prostatakrebs, wird ein prostataspezifischer Antikörper radioaktiv markiert. Nachdem der Antikörper die Prostatakrebszellen gebunden hat, wird die vom Theranostikum ausgehende Radioaktivität nicht nur für die Sichtbarmachung des Tumors und möglicher Metastasen genutzt, sondern wirkt zusätzlich direkt am Zielort schädigend auf die Krebszellen.
Andres Luengo konnte bei seinem Forschungsaufenthalt an der RUB die Erfahrung der Arbeitsgruppe Bioanorganische Chemie auf dem Gebiet der Herstellung kleiner Biomoleküle und toxisch auf Krebszellen wirkender Metallbausteine nutzen: Er kombinierte ein kleines Biomolekül namens Enkephalin, welches an Opioidrezeptoren andocken kann, die in einigen Krebsarten vermehrt vorkommen, mit einem leuchtenden und einem toxischen Metallbaustein. So gelang ihm die Herstellung eines Moleküls, welches die Eigenschaften moderner Theranostika besitzt, jedoch nicht mit Radioaktivität, sondern durch die Bestrahlung mit sichtbarem Licht nachgewiesen werden kann.
Vielversprechendes neues System
Die Forscherinnen und Forscher der Gimeno-Gruppe konnten nicht nur die leuchtenden Eigenschaften des Moleküls für dessen Nachweis innerhalb der Zellen nutzen, sondern außerdem seine toxische Wirkung zeigen und so den Weg für die weitere Erforschung dieses vielversprechenden und innovativen theranostischen Systems ebnen.
Bei der Untersuchung der neuen Verbindung stellen die Forscher fest, dass nur eine von drei leicht verschiedenen Verbindungen tatsächlich aktiv gegen Krebszellen wirkte. Zudem stellte sich heraus, dass die Verbindung in den Krebszellen einen unerwarteten Ort aufsuchte, an dem das Team ihre Lokalisation nicht erwartet hatte. Die schädigende Wirkung auf die Tumorzellen war abhängig von der Stabilität der Bindung zwischen dem Biomolekül, einem Peptid, und dem zellschädigenden Metallkomplex: Nur, wenn sie weniger stabil ist und somit aufbrechen kann, kann der zellschädliche Komplex seine zelluläre Zielstruktur erreichen und die Zellen angreifen.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert vom Ministerio de Ciencia Innovación (Projektnummern CTQ2016-75816-C2-1-P, RTI2018-097836-J-I00, RYC2018-025872-I und RED2018-102471-T) sowie dem Gobierno de Aragón-Fondo Social Europeo (E07_20R).
Originalveröffentlichung
Andrés Luengo, Isabel Marzo, Matthew Reback, Isabelle M. Daubit, Vanesa Fernández-Moreira, Nils Metzler-Nolte, M. Concepción Gimeno: Luminescent bimetallic Ir(III)/Au(I) peptide bioconjugates as potential theranostic agents, in: Chemistry – A European Journal, 2020, DOI: 10.1002/chem.202003632
Pressekontakt
Prof. Dr. Nils Metzler-Nolte
Lehrstuhl Anorganische Chemie I
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28152
E-Mail: nils.metzler-nolte@rub.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Nils Metzler-Nolte
Lehrstuhl Anorganische Chemie I
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28152
E-Mail: nils.metzler-nolte@rub.de
Originalpublikation:
Andrés Luengo, Isabel Marzo, Matthew Reback, Isabelle M. Daubit, Vanesa Fernández-Moreira, Nils Metzler-Nolte, M. Concepción Gimeno: Luminescent bimetallic Ir(III)/Au(I) peptide bioconjugates as potential theranostic agents, in: Chemistry – A European Journal, 2020, DOI: 10.1002/chem.202003632
Weitere Informationen:
https://chemistry-europe.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/chem.202003632 – Originalpaper
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch