09.10.2020 19:31
Veränderungen im Gehirn bei COVID-19-Infektion
Das neuartige Corona-Virus kann das Gehirn erreichen – jedoch ist nicht das Virus selbst, sondern die Immunantwort des Körpers für den Großteil der Veränderungen im Gehirn verantwortlich. Das geht aus einer Studie unter Leitung von Prof. Dr. Markus Glatzel, Direktor des Instituts für Neuropathologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), hervor. Gemeinsam mit Forschenden aus dem Institut für Rechtsmedizin, dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene, der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKE und dem Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg wurden für die Studie 43 mit SARS-CoV-2-infizierte Verstorbene untersucht.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die Ergebnisse haben die Forschenden in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins The Lancet Neurology veröffentlicht.
Bei rund der Hälfte der untersuchten verstorbenen Patientinnen und Patienten (21 von 43) haben die Forschenden den SARS-CoV-2-Erreger im Gehirn entdeckt. Virusproteine konnten sowohl im Hirnstamm als auch in Nerven, die aus dem Hirnstamm entspringen, nachgewiesen werden. Die Virusmengen waren jedoch sehr gering und die Gehirne von Patienten mit den höchsten Virusmengen zeigten nicht mehr Veränderungen als solche, in denen kein Virus gefunden werden konnte. Das Forscher-Team konnte aber eine Immunreaktion in den Gehirnen der verstorbenen COVID-19-Patienten nachweisen. Die Forschenden schließen daraus, dass Entzündungszellen im Gehirn an der Entstehung der neurologischen Symptome beteiligt sein könnten.
„Neben Komplikationen in Lunge, Herz und Nieren kann es bei COVID-19 auch zu neurologischen Symptomen kommen. Diese weisen ein breites Spektrum auf und reichen von diffusen Beschwerden milder Ausprägung bis hin zu schweren Schlaganfällen. Bislang war aber noch unklar, ob und wie der Erreger ins Gehirn gelangt und sich dort auch vermehren kann. Wir konnten nun zeigen, dass nicht das neuartige Corona-Virus selbst das Gehirn schädigt, sondern die neurologischen Symptome vermutlich eine indirekte Folge der Virusinfektion sind“, sagt Prof. Dr. Markus Glatzel, Direktor des Instituts für Neuropathologie des UKE.
„Besonders interessant war der deutliche Virusnachweis in einzelnen Zellen und Nerven, der auf eine lokalisierte Vermehrung und Beeinträchtigung spezifischer Gehirnfunktionen hindeutet“, sagt Prof. Dr. Martin Aepfelbacher, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene des UKE und Co-Autor der Studie.
Die für die Studie untersuchten verstorbenen Patientinnen und Patienten (16 Frauen, 27 Männer) waren im Mittel 76 Jahre alt. Die Patientenkohorte repräsentiert mit ihren altersgerechten Vorerkrankungen typische COVID-19-Patienten in Deutschland.
„Üblicherweise zeigen COVID-19-Patientinnen und -Patienten vor allem im Blut eine deutlich veränderte Immunantwort. Wir konnten jetzt auch im Gehirn eine klare Entzündungsreaktion nachweisen, was in diesem Ausmaß nicht bekannt war“, sagt Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg und Co-Autor der Studie.
Weitere Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen neurologischer Symptome bei COVID-19 sind notwendig, um Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit schweren neurologischen Symptomen zu entwickeln.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus Glatzel
Institut für Neuropathologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Telefon: 040 7410-52218
m.glatzel@uke.de
Originalpublikation:
Jakob Matschke, Markus Glatzel et. al. Neuropathology of patients with COVID-19 in Germany: a post-mortem case series. The Lancet Neurology. 2020
DOI: https://doi.org/10.1016/S1474-4422(20)30308-2
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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