Verankerung an der DNA-Minor-Groove



Teilen: 

26.02.2024 11:20

Verankerung an der DNA-Minor-Groove

Während der Reprogrammierung von Körperzellen zurück in Stammzellen wird die Genregulation durch Pionier-Transkriptionsfaktoren gesteuert. Diese binden an die dicht verpackte DNA, um sie zugänglich zu machen. Nr5a2 ist ein solcher Pionierfaktor, der die Aktivierung des Genoms steuert und die Reprogrammierung bei befruchteten Eizellen einleitet. Bislang war noch nicht bekannt, wie genau dieser Pionierfaktor mit der verpackten DNA zusammenarbeitet. Forschende um Kikuë Tachibana am Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie fanden nun heraus, dass Nr5a2 die DNA durch einen neuartigen Mechanismus von den Histonen „abwickeln“ kann.

Die DNA von Eukaryoten liegt als Chromatin verdichtet vor, wobei das Nukleosom eine grundlegende Struktureinheit darstellt. Es besteht aus Histonen, um die die DNA wie eine Perlenkette herumgewickelt und somit extrem dicht verpackt ist. Diese Verpackung der Erbinformation schränkt die Zugänglichkeit für DNA-bindende Proteine, wie Transkriptionsfaktoren, ein. Um das zu ändern können spezialisierte Transkriptionsfaktoren, die man Pionier-Transkriptionsfaktoren nennt, auf die DNA zugreifen und diese so aktivieren.

Kikuë Tachibana, Direktorin am MPI für Biochemie und Leiterin der Abteilung Totipotenz, fand bereits in einer früheren Arbeit heraus, dass Nr5a2 ein Totipotenz-Pionierfaktor ist, der die embryonale DNA zu Beginn des Lebens „erweckt“. In ihrer aktuellen Studie nutzten die Wissenschaftler*innen eine bildgebende Methode, die Kryo-EM, um sichtbar zu machen wie genau Nr5a2 mit den Nukleosomen interagiert.

Wataru Kobayashi, Erstautor der Studie, erstellte Einzelpartikelbilder des an ein Nukleosom gebundenes, menschliches Nr5a2 und bildete so seine dreidimensionale Struktur nach. Diese zeigte auf, dass die DNA-bindende Domäne von Nr5a2 mit einer sogenannten DNA-Minor-Groove-Verankerung des Nukleosoms konkurriert und die DNA teilweise von den Histonen abwickelt. „Man kann sich das so vorstellen, als würde Nr5a2 einen Anker in die kleine Wendung der DNA werfen und sie quasi mit aller Kraft von den Histonen abziehen,“ veranschaulicht Kobayashi den Prozess.

„Die Vielfalt der Mechanismen der Pionierfaktoren beginnt sich gerade erst abzuzeichnen. Wir fanden heraus, dass Nr5a2 die Interaktion zwischen DNA-Minor-Groove und Histon durch direkte Konkurrenz schwächt und strukturelle Veränderungen in den Kernhistonen hervorruft. Nichtsdestotrotz sind weitere Strukturstudien erforderlich, um die Umprogrammierung zur Totipotenz durch Pionierfaktoren zu verstehen,“ so Kobayashi weiter.

Zusammen mit Karl Duderstadt und Anna Sappler gelang es ihnen, eine Aminosäure innerhalb des Nr5a2 zu identifizieren, die für die stabile Bindung an das Nukleosom und somit auch dem herunterziehen der DNA verantwortlich ist. Von ihren Ergebnissen erhoffen sich die Forschenden neue Einsichten in den Reprogrammierungsmechanismus zu erlangen.

Kikuë Tachibana fasst zusammen: „Diese Arbeit wurde durch das exzellente wissenschaftliche Umfeld des Max-Planck-Institutes für Biochemie ermöglicht, insbesondere durch die gute Zusammenarbeit mit Karl Duderstadt und die starke Unterstützung durch die Kerneinrichtungen für Strukturbiologie. Die Ergebnisse dieser Studie liefern die molekularen Grundlagen der natürlichen und induzierten Reprogrammierung durch den Orphan Nuclear Receptor Nr5a2.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Kikuë Tachibana, PhD
Direktorin
MPI für Biochemie
kvoss@biochem.mpg.de


Originalpublikation:

Wataru Kobayashi, Anna Sappler, Daniel Bollschweiler, Maximilian Kümmecke, Jérôme Basquin, Eda Nur Arslantas, Siwat Ruangroengkulrith, Renate Hornberger, Karl Duderstadt and Kikuë Tachibana, Nucleosome-bound NR5A2 structure reveals pioneer factor mechanism by DNA minor groove anchor competition. Nature Structural and Molecular Biology, February 2024.
https://www.nature.com/articles/s41594-024-01239-0


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW