07.07.2021 09:51
Wie Biomaterialien die chronische Wundheilung verbessern können – Abschluss-Symposium SFB TRR 67
Mehr als 70 Wissenschaftler der Universitäten Leipzig und Dresden erforschen im SFB Transregio 67 (TRR 67) neuartige Materialien, welche die Wundheilung nach Knochen- und Hautverletzungen beschleunigen und verbessern können. Nach langjähriger Forschungsarbeit diskutieren sie ihre Beiträge nun mit renommierten Experten unter anderem aus den USA, Kanada, der Schweiz und Deutschland beim 3. Internationalen Symposium „Frontiers in Biomaterial Science“. Ein Beitrag aus der Leipziger Universitätsmedizin thematisiert die Entwicklung von innovativen Hydrogel-Wundauflagen, die den Ursachen einer chronischen Entzündung entgegenwirken. Das Studienergebnis wurde kürzlich veröffentlicht.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Aufgrund der demografischen Entwicklung nehmen schlecht heilende Hautwunden und Knochenbrüche deutlich zu und stellen eine erhebliche sozialmedizinische Herausforderung dar. Daher besteht ein großer Bedarf an neuen, funktionellen Biomaterialien, um die Heilungsprozesse zu unterstützen. Wir wollen die Fähigkeit der Extrazellularmatrix, das heißt der komplexen Umgebung der Körperzellen in allen Geweben nutzen, um die körpereigene Fähigkeit zur Regeneration anzuregen. Mit diesem Ansatz ist es uns bereits gelungen, innovative Biomaterialien herzustellen, welche die verzögerte Wundheilung in verschiedenen Modellorganismen verbessern können,“ so SFB-Sprecher Prof. Dr. Jan C. Simon von der Universität Leipzig.
Eine dieser innovativen Biomaterialien ist die immunmodulierende Hydrogel-Wundauflage, welche die Leipziger Forscher in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden und der Industrieforschungseinrichtung INNOVENT e. V. Jena entwickelt haben. Hydrogele ermöglichen die Abschwächung entzündlicher Prozesse und beschleunigen so die Heilung chronischer Wunden. Bei einer chronischen Wunde wird der Heilungsprozess durch einwandernde Immunzellen gestört, die verhindern, dass die Verletzung auskurieren kann. „Um den Verlauf der anhaltenden Entzündung zu durchbrechen, haben wir zwei erfolgversprechende Ansätze erforscht,“ erläutert die Leiterin der Leipziger Forschungsgruppe Dr. Sandra Franz.
Ein Ansatz basiert darauf, dass die speziellen Immunzellen verändert werden, welche den Entzündungsprozess am Laufen halten. „Wir haben gemeinsam eine Hydrogel-Wundauflage entwickelt, die auf besonderen modifizierten Molekülen basiert, welche die pro-entzündlichen Immunzellen modulieren können. Diese Moleküle dringen ins Zellinnere, wo sie in wichtige Signalwege eingreifen und so den anhaltenden Entzündungsprozess unterbrechen,“ erklärt Franz. Die wundheilungsfördernde Wirkung der Hydrogele wurde im Tiermodell nachgewiesen: Nach dem Auftragen der Hydrogele verringerte sich die Entzündungsreaktion und das Gewebe konnte sich wieder besser aufbauen und die Wunde verschließen. Die Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler kürzlich in der Fachzeitschrift Bioactive Materials veröffentlicht. Der andere Forschungsansatz zielt darauf ab, entzündungsfördernde Faktoren zu binden und diese somit aus dem Entzündungsprozess wegzufangen. Die Wunde kann anschließend heilen.
Weitere Ergebnisse wollen die Forscher des TRR67 nun mit international anerkannten Experten während des zweitägigen Online-Symposiums thematisieren mit Blick auf neue Methoden, Technologien und Forschungsstrategien in der Entwicklung von innovativen Biomaterialien in der Implantations- und Transplantationsmedizin. Schwerpunkte liegen in den Themenfeldern Innovative Biomaterialien, Wundheilung, Knochenregeneration und Interleukin-17.
Der Sonderforschungsbereich TRR67 wird über die Laufzeit von zwölf Jahren bis Ende 2021 mit über 34 Millionen Euro gefördert. Insgesamt umfasst der SFB-TRR67 23 Projekte aus der Universität Leipzig, der Technischen Universität Dresden, der FU Berlin dem UFZ, IPF, Innovent e.V und HZDR. Aufbauend auf den sehr erfolgreichen Arbeiten sollen von den Partnern weitere Verbundforschungsprojekte zum Thema Wundheilung und Entzündung initiiert werden.
Die aktuellen Studienergebnisse wurden veröffentlicht in Bioactive Materials:
https://doi.org/10.1016/j.bioactmat.2021.04.026
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
sandra.franz@medizin.uni-Leipzig.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1016/j.bioactmat.2021.04.026
Weitere Informationen:
http://www.trr67.de
https://research.uni-leipzig.de/trr67/en/trr-67-symposium/
https://research.uni-leipzig.de/trr67/en/b3-simon-franz-2/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
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