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21.07.2023 09:46
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Wie die Aktivität von Rhomboid-Proteasen reguliert wird
Rhomboid-Proteasen sind ein vielversprechender Angriffspunkt für neue Medikamente. Nun haben Forschende vom Berliner Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) einen Mechanismus aufgedeckt, wie die Aktivität des Enzyms reguliert wird. Die Dynamik des vor wenigen Jahren entdeckten Tores, das sich beim Schneiden anderer Proteine kurzzeitig öffnet, spielt dabei die zentrale Rolle. Die Ergebnisse basieren auf verschiedenen experimentellen und theoretischen Methoden – und sind soeben im Fachmagazin „Science Advances“ erschienen.
Sie sitzen in der Zellmembran, schneiden andere Proteine und lösen damit eine Signalkaskade in der Zelle aus: Rhomboid-Proteasen sind als Enzyme an etlichen biologischen Prozessen im menschlichen Körper beteiligt und spielen auch bei verschiedenen Krankheiten eine Rolle, etwa bei Morbus Parkinson, Malaria oder Krebs. Folglich gelten sie als vielversprechendes Target für neue Medikamente. Doch aufgrund ihrer Lokalisation sind die Intramembran-Proteine schwer zu untersuchen.
2019 gelang es der Gruppe um Prof. Dr. Adam Lange vom Berliner Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) erstmals, bewegte Bilder von Rhomboid-Proteasen zu erzeugen, und zwar mit Hilfe der Festkörper-NMR-Spektroskopie. In der Arbeit konnten die Grundlagenforscher die Vermutung bestätigen, dass sich zum Schneiden anderer Proteine kurzzeitig ein Tor öffnet, damit die Substrate aus der ansonsten wasserfreien Zellmembran zum wasserhaltigen aktiven Zentrum des Enzyms gelangen können. In der Folge können sich die Substrate der nun gespaltenen Proteine von der Zellmembran lösen und verschiedenste biologische Prozesse in der Zelle anstoßen.
Korrelation zwischen Dynamik des Tores und Aktivität des Enzyms nachgewiesen
Wie wichtig das Tor für die Funktion von Rhomboid-Proteasen ist, haben die FMP-Forscher nun in einer weiteren Arbeit im Rahmen des Exzellenz Clusters UniSysCat gezeigt. Die Ergebnisse sind jetzt im renommierten Fachmagazin „Science Advances“ erschienen. Demnach gibt es eine eindeutige Korrelation zwischen der Dynamik des Tores und der Aktivität des Enzyms.
Unterschiedliche experimentelle und theoretische Methoden genutzt
In der aktuellen Arbeit kamen nicht nur die Festkörper-NMR-Spektroskopie zum Einsatz, sondern auch weitere biophysikalische Methoden und biochemische Funktions-Assays sowie Molekulardynamiksimulationen. „Um zu verstehen, wie Rhomboid-Proteasen funktionieren, haben wir diesmal eine ganze Reihe von experimentellen und theoretischen Techniken und Ansätzen miteinander kombiniert“, betont Projektleiter Adam Lange. „Das war ein echtes Highlight dieser Arbeit.“
Für die Experimente nutzten Forscher ein biophysikalisches Modell. Rhomboid-Proteasen aus E.coli-Bakterien (GlpG) – ähnliche Moleküle finden sich auch in den Mitochondrien des Menschen – wurden biochemisch so modifiziert, dass verschiedene Mutanten entstanden. Die Mutanten besaßen entweder ein bewegliches oder umgekehrt ein geschlossenes Tor. War es durch die Mutationen leichter zu öffnen, erhöhte sich die Aktivität des Enzyms, war es verschlossen kam die Aktivität zum Erliegen, das Substrat stand dann sozusagen vor verschlossenen Türen und konnte nicht mehr weiterverarbeitet werden.
Molekulardynamiksimulationen, die von der Arbeitsgruppe von Prof. Han Sun durchgeführt wurden, stützten und vertieften die experimentellen Ergebnisse. „Wir konnten beispielsweise am Computer simulieren, wie weit das Tor genau geöffnet sein muss, um die Substrate durchzulassen“, erläutert Han Sun.
FMP-Doktorandin Claudia Bohg, die Erstautorin der aktuellen Arbeit, ist auch in die Wirkstoffsuche involviert, die parallel am FMP läuft. „Rhomboid-Proteasen sind ein klinisch bedeutsames Angriffsziel“, sagt sie. „Die neuen Erkenntnisse werden uns sicher auch auf diesem Gebiet ein ganzes Stück weiterbringen.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Adam Lange
Abteilung Molekulare Biophysik
Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
alange@fmp-berlin.de
Tel.: 0049 30 94793-190
www.leibniz-fmp.de/lange
Originalpublikation:
Claudia Bohg, Carl Öster, Berke Türkaydin, Michael Lisurek, Pascal Sanchez-Carranza, Sascha Lange, Tillmann Utesch, Han Sun, Adam Lange. The opening dynamics of the lateral gate regulates the activity of rhomboid proteases, Science Advances, DOI: 10.1126/sciadv.adh385
Bilder
Barth van Rossum, FMP
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch