10.03.2020 15:30
Zusammenhang zwischen narzisstischer Persönlichkeit und Rechtspopulismus aufgedeckt
Interdisziplinäre Studie verbindet politikwissenschaftliche und sozialpsychologische Perspektiven, um Erfolg rechtsradikaler populistischer Parteien zu erklären
In vielen Ländern Westeuropas, darunter auch Deutschland, haben rechtsradikale populistische Parteien in den letzten Jahren großen Zulauf bekommen. Eine neue Studie zeigt, dass dies nicht nur aktuellen Entwicklungen wie der sogenannten Flüchtlingskrise zuzuschreiben ist, sondern dass ein Teil der Wählerschaft aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur stärker zu rechtspopulistischen Strömungen neigt. So können psychologische Komponenten eine entscheidende Rolle für politische Einstellung und die Wahlentscheidung spielen. „Wir haben festgestellt, dass eine bestimmte Ausprägung des Narzissmus, die mit Fremdabwertung einhergeht, eher zur Unterstützung von rechtsradikalen Parteien führt“, sagt Dr. Carl Berning, Institut für Politikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Gemeinsam mit Dr. Sabrina Mayer von der Universität Duisburg-Essen und Dr. David Johann von der Universität Zürich hat Berning die Folgen von Narzissmus untersucht.
Autoritäre Einstellungen und Fremdenfeindlichkeit als zentrale Aspekte
Die Studie zeigt, dass Wähler, die ein hohes Maß an narzisstischer Rivalität als Persönlichkeitsmerkmal aufweisen, also andere abwerten, um sich selbst aufzuwerten, dazu neigen, rechtsradikale populistische Parteien zu wählen. Narzissmus beeinflusst das Wahlverhalten nicht direkt, sondern über Einstellungen vermittelt, schreiben die Autoren in ihrer Studie, die in dem Fachmagazin European Journal of Personality veröffentlicht wurde. Das heißt, Narzissmus verändert Einstellungen und diese beeinflussen die Präferenz für Rechtspopulisten. Die Analyse findet dagegen keinen signifikanten Zusammenhang zwischen einem erhöhten Persönlichkeitsbedürfnis nach Bewunderung und der Wahl rechtsradikaler Parteien.
Die Wissenschaftler merken zu den Ergebnissen an, dass die bisherige Wahlforschung die Persönlichkeit der Wähler nicht genügend berücksichtigt. Denn obwohl sich zentrale Aspekte von Narzissmus und Schlüsselelemente rechtsradikaler Parteien ähneln, wie beispielsweise das Streben nach Überlegenheit, wurde das Verhältnis zwischen Narzissmus und der Unterstützung für rechtsradikale populistische Parteien bislang noch nicht analysiert. Die Autoren schlagen vor, dies bei künftigen Studien zu beachten. „Wir wissen, dass Fremdenfeindlichkeit die Neigung zu rechtspopulistischen Ideologien verstärkt, aber die Einstellung kommt nicht aus dem luftleeren Raum, sondern es gibt Menschen, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur verstärkt dazu tendieren“, fasst Berning zusammen. Dass die individuelle Persönlichkeit über die sozialdemographischen Bedingungen hinaus eine Wahlentscheidung erklären kann, sei daher stärker zu berücksichtigen.
Psychologische Wurzeln für die Unterstützung rechtsradikaler Parteien berücksichtigt
Für ihre Studie haben Mayer, Berning und Johann Narzissmus als mehrdimensionales Konstrukt untersucht. Seit ein paar Jahren wird in der Psychologie zwischen zwei Dimensionen narzisstischer Einstellungen unterschieden: Narzissmus mit einem erhöhten Bedürfnis nach Bewunderung beziehungsweise Selbstbewunderung auf der einen Seite und narzisstische Rivalität oder Fremdabwertung auf der anderen. Narzisstische Persönlichkeiten, die nach Bewunderung verlangen, können charismatisch sein und andere um sich scharen. Narzisstische Rivalität dagegen wertet andere ab, um sich selbst überlegen zu fühlen, und geht häufig mit aggressivem, feindseligem und egoistischem Verhalten einher.
Für die Erhebung konnten die Wissenschaftler auf repräsentative Daten des GESIS Panels mit rund 2.800 Probanden zugreifen. Auf die Frage, welche Partei sie wählen würden, wenn nächsten Sonntag Wahlen wären, gaben zum Zeitpunkt der Umfrage im Herbst 2016 12,7 Prozent der Befragten an, sie würden für die Alternative für Deutschland (AfD) stimmen. Zur Ermittlung narzisstischer Persönlichkeitsmerkmale wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer um Einstufungen zu bestimmten Aussagen gebeten, zum Beispiel „Ich gewinne eine große Stärke aus dem Wissen, dass ich eine ganz besondere Person bin“ oder „Ich möchte, dass meine Rivalen verlieren“.
Weitere Links:
https://innen.politik.uni-mainz.de/category/aktuelles-innenpolitik-politische-so… – Aktuelles im Bereich Innenpolitik und Politische Soziologie
Lesen Sie mehr:
https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/9077_DEU_HTML.php – Pressemitteilung „Wie die AfD seit 2015 nach rechts gerückt ist“ (11.07.2019)
https://www.uni-mainz.de/presse/74485.php – Pressemitteilung „Neue Studie untersucht Einstellung von Bürgern bei Liberalisierung von Präimplantationsdiagnostik“ (17.02.2016)
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Carl C. Berning
Bereich Innenpolitik und Politische Soziologie
Institut für Politikwissenschaft
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-27108
E-Mail: berning@politik.uni-mainz.de
https://innen.politik.uni-mainz.de/personal/carl-berning/
Originalpublikation:
Sabrina J. Mayer, Carl C. Berning, David Johann
The Two Dimensions of Narcissistic Personality and Support for the Radical Right: The Role of Right‐wing Authoritarianism, Social Dominance Orientation and Anti‐immigrant Sentiment
European Journal of Personality, 9. Januar 2020
DOI: 10.1002/per.2228
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/per.2228
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Gesellschaft, Politik, Psychologie
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