Brustkrebs-Charakterisierung mit KI



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24.07.2024 14:34

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Brustkrebs-Charakterisierung mit KI

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI und des Massachusetts Institute of Technology MIT nutzen künstliche Intelligenz, um die Einordnung von Brustkrebs zu verbessern.

Krebs ist nicht gleich Krebs. Manche Tumore wachsen sehr langsam oder wechseln kaum je das Stadium von einer eher harmlosen Vorstufe zu einer lebensbedrohlichen Form. Bei den Männern gehört das Prostata-Karzinom dazu, bei den Frauen eine Vorstufe von Brustkrebs in den Milchgängen, das sogenannte ductale Carcinoma in situ. Die kurz DCIS genannte Form entwickelt sich in 30 bis 50 Prozent der Fälle hin zu einem bedrohlichen invasiven Mamma-Karzinom. Weil das DCIS sehr gut heilbar ist, empfehlen Ärzte generell eine Behandlung. Den Ärzten fehlen bislang Anhaltspunkte, um verlässlich zu entscheiden, welcher Tumor harmlos bleibt oder in ein lebensbedrohliches invasives duktales Karzinom (IDC) übergehen wird.

Diese Wissenslücke bei der Charakterisierung von Brustkrebs war Anlass für eine neue Studie unter der Leitung von G.V. Shivashankar, Leiter des Labors für Biologie im Nanobereich am PSI und Professor für Mechano-Genetik an der ETH Zürich, und Caroline Uhler, Direktorin des Eric and Wendy Schmidt Center am Broad Institute und Professorin für Elektrotechnik und Informatik am MIT. Die Forschenden entwickelten eine Bildanalyse, die mithilfe künstlicher Intelligenz das Krankheitsstadium zuverlässig einschätzen kann. «Unsere Arbeit eröffnet einen eigenständigen Ansatz zur Identifizierung des DCIS-Stadiums anhand von Bildern, die zeigen, wie die DNA in jeder einzelnen Zelle verpackt ist. Die Daten dafür sind leicht und kostengünstig zu erheben», erklärt Shivashankar.

Frauen leben mit Unsicherheit bei der Therapie-Entscheidung

Das DCIS macht etwa 25 Prozent aller Brustkrebsdiagnosen aus. Bei Patientinnen sind die Zellen, die die Milchgänge auskleiden, gegenüber gesundem Gewebe verändert, oft lassen sich Mikrokalkablagerungen feststellen. Eine Behandlung kann in einer Bestrahlung, einer Hormontherapie oder einer Operation bestehen. Um eine Prognose für das DCIS zu erstellen und eine geeignete Therapie zu wählen, nutzen Ärzte in der klinischen Praxis das sogenannte Grading. Das heisst, sie klassifizieren den Grad der Veränderungen und teilen ihren Befund in sieben verschiedene Stufen ein. Diese beschreiben beispielsweise die Grösse des DCIS, das Aussehen seiner Zellkerne, ob es zu Wachstum (Hyperplasie) gekommen ist, ob die Zellen in benachbartes Gewebe eingewachsen sind (invasiv), sie sich in Lymph- oder Blutzellen ausgebreitet haben (aggressiv) oder dabei sind, Tochtergeschwulste zu bilden (metastasierend).

Der Weg von einem DCIS zu einer bedrohlichen Form des IDC ist jedoch keineswegs vorgezeichnet – 50 bis 70 Prozent der Fälle bleiben harmlos. Doch welche? Die Forschenden verfolgen verschiedene Ansätze, um Prognosen verlässlicher zu machen. Dazu gehört etwa aufwendige Bildtechnik, um anhand der Aufnahmen Indikatoren für das Risiko zu ermitteln, das von einer Frühform ausgeht. Ein anderer Ansatz besteht in umfangreichen sogenannten Transkriptomanalysen. Die Sequenzierung soll erfassen, wie viele und welche Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt in den verdächtigen Zellen aktiv sind. Jedoch sind diese Herangehensweisen bisher im klinischen Alltag nicht erprobt und kaum praktikabel, da sie zu aufwendig und zu teuer sind. Für betroffene Frauen bleibt die Unsicherheit bei der Therapieentscheidung, da sie vor einer Behandlung stehen, die möglicherweise nicht nur unnötig sein kann, sondern auch das Risiko von Nebenwirkungen birgt.

KI verbessert DCIS-Staging

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) kann das Staging mithilfe leicht und kostengünstig zu erhebender Daten verbessern, wie die aktuelle Studie zeigt. Die Forschenden um Shivashankar und Uhler stellten einem lernenden Algorithmus 560 Gewebeproben von 122 Patientinnen zur Verfügung. Diese waren mit dem Farbstoff DAPI versetzt worden, der das sogenannte Chromatin im Zellkern fluoreszierend leuchten lässt. Chromatin besteht unter anderem aus dem Erbmaterial DNA und Proteinen. Das Erscheinungsbild erlaubt Rückschlüsse auf die Organisation und somit die Aktivität der im Zellkern enthaltenen DNA. Nach einer Lernphase identifizierte das KI-Modell Muster in den Gewebeschnitten, die mit den von menschlichen Pathologen ermittelten Unterschieden übereinstimmten. «Unsere Analyse zeigt, dass billige und einfach zu beschaffende Chromatinbilder in Verbindung mit leistungsstarken KI-Algorithmen genügend Informationen liefern, um zu untersuchen, wie sich der Zellzustand und die Gewebeorganisation beim Übergang von DCIS zu IDC verändern, um das Krankheitsstadium genau vorherzusagen», erklärt Uhler.

Die Forschenden sehen grosses Potenzial für eine solche auf KI und Chromatin-Bildgebung basierende Tumoreinstufung. Vor einem Einsatz in der Praxis seien jedoch zahlreiche weitere Studien erforderlich, welche die Zuverlässigkeit und die Sicherheit des Ansatzes belegen müssen, so etwa die Langzeitbeobachtung von DCIS-Patientinnen.

Text: Werner Siefer

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Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Zukunftstechnologien, Energie und Klima, Health Innovation und Grundlagen der Natur. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2300 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 460 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. G.V. Shivashankar
Labor für Biologie im Nanobereich
Paul Scherrer Institut PSI

+41 56 310 42 50
gv.shivashankar@psi.ch
[Englisch]


Originalpublikation:

Unsupervised representation learning of chromatin images identifies changes in cell state and tissue organization in DCIS
Xinyi Zhang, Saradha Venkatachalapathy, Daniel Paysan, Paulina Schaerer, Claudio Tripodo, Caroline Uhler, GV Shivashankar
Nature Communications, 20.07.2024
DOI: 10.1038/s41467-024-50285-1


Weitere Informationen:

https://i.psi.ch/4Ta – Medienmitteilung auf der Webseite des Paul Scherrer Instituts PSI


Bilder

G.V. Shivashankar entwickelt derzeit am PSI verschiedene Verfahren zur Diagnose und Prognose von Krebs. Die aktuelle Studie lässt hoffen, dass eine Form von Brustkrebs besser charakterisiert werden kann.

G.V. Shivashankar entwickelt derzeit am PSI verschiedene Verfahren zur Diagnose und Prognose von Kre
Markus Fischer
Paul Scherrer Institut PSI


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW