08.09.2020 15:43
Hepatitis-E: Neue Studie zeigt Häufigkeit von Verunreinigungen in kommerziellem Schweinefleisch
Wissenschaftler des tropenmedizinischen Instituts des Universitätsklinikums Tübingen haben in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut, dem Bundesinstitut für Risikobewertung Berlin und der Medizinischen Hochschule Hannover eine Studie zum Nachweis des Hepatitis-E-Virus in handelsüblicher Schweineleber und Schweinefleischprodukten in Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse sind aktuell im Journal of Viral Hepatitis veröffentlicht.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist eine Hauptursache der akuten Virushepatitis und kann bei bestimmten Patientengruppen Leberversagen auslösen. Übertragen wird der Erreger über rohes Fleisch und verunreinigtes Wasser. In den Entwicklungsländern ist HEV für etwa 20 Millionen Infektionen und 70.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich, und auch in Deutschland sind die gemeldeten Fälle in den letzten zehn Jahren stark angestiegen. Im Jahr 2011 wurden 238 Fälle gemeldet, 2019 waren mit 3.727 fast 16-mal so viele; im August 2020 lag die Zahl für das laufende Jahr bereits bei 2.280 bekannten Fällen. Ein Impfstoff existiert bereits, so Professor Peter Kremsner, Direktor und Vorsitzender des Instituts für Tropenmedizin. „Hecolin ist ein in China zugelassener HEV-Impfstoff. Die Europäische Arzneimittel-Agentur muss ihn allerdings noch für die EU evaluieren.“
Um herauszufinden, ob und wie häufig kommerzielle Schweinefleischprodukte in Deutschland mit HEV kontaminiert sind und so das Infektionsrisiko abzuschätzen, haben Wissenschaftler um Professor Dr. Thirumalaisamy P. Velavan, Leiter der Gruppe Molekulargenetik von Infektionskrankheiten am Institut für Tropenmedizin des Universitätsklinikums Tübingen, und seine Kooperationspartner des Robert-Koch-Instituts, des Bundesinstituts für Risikobewertung Berlin sowie der Medizinischen Hochschule Hannover eine Nachweisstudie durchgeführt.
Auf HEV-RNA untersucht wurden Schweinelebern und Schweinefleischprodukte aus verschiedenen Supermärkten und Metzgereien in Tübingen, Reutlingen, Stuttgart und Dortmund. Zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 entnahmen die Forscher 41 Proben von Schweinelebern, 40 von streichfähigen Leberwürsten (Delikatessleberwurst, Hausmacher Leberwurst, Gutsleberwurst, Pfälzer Leberwurst, Sahneleberwurst), 40 von Leberpasteten und zehn von Rohwürsten ohne Leber (Braunschweiger Mettwurst, Zwiebelmettwurst, Schinken-Zwiebel-Mettwurst). Die auf HEV getesteten Proben stammten dabei überwiegend aus West- und Südwestdeutschland, einige aus anderen europäischen Ländern wie Polen, Österreich, Belgien und den Niederladen.
„Da die Verteilung und Belastung durch Hepatitis E in Europa unterschiedlich ist, war das Ziel, die tatsächliche Prävalenz von HEV-kontaminiertem Fleisch zu bewerten und das Risiko von Exposition und Infektion abzuschätzen. Das Ergebnis der Studie zeigt nun, dass mehr als zehn Prozent aller getesteten Proben mit dem HEV kontaminiert sind“, erklärt Professor Velavan. Der Nachweis von HEV-Genom ist in Schweinefleischprodukten viel höher als in Schweineleber; die Proben der Schweinelebern weisen einen Anteil von fünf Prozent nach, bei Leberwürsten sind es 13 Prozent. Unter Berücksichtigung der Herkunft HEV-positiver Fleischerzeugnisse konnte keine regionale Prävalenz festgestellt werden. „Nach Vergleichen mit früheren Studien deuten die Ergebnisse darauf hin, dass in Deutschland die Prävalenz von Hepatitis-E-Viren in Lebensmitteln mit Schweineleber seit zehn Jahren relativ unverändert und sehr hoch ist“, resümiert Professor Velavan. Nicht untersucht wurde die Infektiosität des Virus, nachgewiesene Viren können daher bereits durch etwa entsprechende Erhitzung bei der Lebensmittelherstellung inaktiv sein.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik
Institut für Tropenmedizin, Reisemedizin, Humanparasitologie
Prof. Dr. Thirumsalaisamy P. Velavan
Wilhelmstraße 27, 72074 Tübingen
Tel. 07071 29-85981
velavan@medizin.uni-tuebingen.de
Originalpublikation:
Pallerla SR, Schembecker S, Meyer CG, Linh LTK, Johne R, Wedemeyer H, Bock CT, Kremsner PG, Velavan TP. Hepatitis E virus genome detection in commercial pork liver and pork meat products in Germany. J Viral Hepat. 2020 Sep 1. doi: 10.1111/jvh.13396. PMID: 32869414
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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