02.07.2021 10:59
Lübecker Genom-Forscher identifizieren neue Alzheimer-Biomarker-Gene
Spiegel von etablierten Alzheimer-Biomarkern im Nervenwasser werden durch neue Gene beeinflusst:
Unter Federführung der Lübecker Interdisziplinären Plattform für Genomanalytik (LIGA; Leitung: Prof. Dr. Lars Bertram) der Universität zu Lübeck hat ein Team internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue Erkenntnisse aus dem Bereich der Alz-heimer Biomarkerforschung gewonnen und im Fachmagazin „Alzheimer’s & Dementia“ hochrangig veröffentlicht.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Kern der neuen Analysen waren Daten von Studienteilnehmerinnen und Studienteil-nehmern der „EMIF-AD Multimodal Biomarker Discovery“-Studie. Diese Studie wurde von der Europäischen Union im Rahmen des European Medical Information Framework (EMIF) gefördert und hat bereits eine Vielzahl neuer Erkenntnisse (http://www.liga.uni-luebeck.de/publications/) geliefert.
Ziel der neuesten Studie war die Identifikation neuer Gene, die etablierte Alzheimer-Biomarker im Nervenwasser (Liquor) beeinflussen. Hierzu wurden genomweite Daten bei ~700 EMIF-AD Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern mit verfügbaren Liquor-Biomarkern erhoben und detailliert untersucht. Speziell ging es mittels einer genomwei-ten Assoziationsstudie um die Fragestellung, welche Gene die Liquor-Konzentrationen der drei im Fokus stehenden Biomarker (Neurofilament light chain [Nfl], YKL-40 und Neu-rogranin [Ng]) determinieren.
Zwei neue Gene identifiziert und ein Befund bestätigt
Mittels genomweiter Assoziationsanalysen wurden die beiden Gene TMEM106B, und CPOX, die die Biomarker NfL bzw. YKL-40 beeinflussen, neu identifiziert und ein früherer Befund für das CHI3L1-Gen in Bezug auf YKL-40 bestätigt. Die EMIF-AD GWAS-Befunde wurden anhand einer zweiten, unabhängigen Stichprobe der Alzheimer’s Disease Neu-roimaging Initiative“ (ADNI) Studie validiert. Damit zeigte die Lübecker Studie erstmals genetische Zusammenhänge auf, die zu einem besseren Verständnis der Alzheimer-Biomarkerforschung führen können. „Insbesondere unser Befund einer genetischen As-soziation zwischen TMEM106B und Nfl-Spiegeln im Liquor der EMIF-AD-Studienteilnehmerinnen und –teilnehmer war völlig unerwartet und wirft ein neues Licht auf die pathophysiologischen Zusammenhänge der Alzheimer-Krankheit“, sagt Prof. Lars Bertram, Letztautor der Studie.
Die Erkenntnisse führen zu einem neuen Verständnis der Alzheimer-Erkrankung
„Nfl wurde vor kurzem als ein wichtiger prognostischer Marker im präklinischen Stadium der Alzheimer-Krankheit postuliert. Unklar war allerdings, ob es sich hierbei um Befunde handelt, die schon vor oder erst nach dem Einsetzen der ersten neurodegenerativen Ver-änderungen der Krankheit auftritt. Unsere neuen Ergebnisse deuten jetzt darauf hin, dass die beobachteten Änderungen der Nfl-Spiegel dem Krankheitsprozess vorausgehen,“ ergänzt Prof. Lars Bertram.
Dass die Assoziation mit dem „Transmembranprotein 106B“ (TMEM106B) beobachtet wurde, ist auch deshalb interessant, da diese vorher nicht mit dem Risiko der Alzheimer-Krankheit, sondern mit einer anderen Erkrankung in Verbindung gebracht wurde. „TMEM106B wurde bisher eher mit einer anderen Form der Demenz, der frontotempora-len Demenz, in Verbindung gebracht. Dass es jetzt auch im Kontext der Alzheimer-Krankheit eine Rolle zu spielen scheint, könnte auf eine bisher unbekannte pathophysio-logische Verbindung zwischen den beiden Erkrankungen hindeuten“, sagt Dr. Christina Lill, Koautorin der Studie und LIGA-Mitarbeiterin.
Für die EMIF-AD-Studie wurden die klinischen Daten und Bioproben von mehr als 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus insgesamt 11 europäischen Studienzentren ge-sammelt. Die LIGA-Arbeitsgruppe ist hierbei für die Koordinierung und Durchführung der genetischen Analysen verantwortlich, die teilweise im Labor des Instituts für Klinische und Molekulare Biologie (IKMB; Direktor: Prof. Andre Franke) am UKSH-Campus Kiel durchgeführt wurden. An der jetzt erschienenen Studie waren insgesamt mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt, darunter fünf aus Lübeck (S. Hong [Erstautorin], V. Dobricic, O. Ohlei, C.M. Lill, L. Bertram, alle LIGA) und zwei aus Kiel (M. Wittig und A. Franke, beide am IKMB).
Die Originalpublikation mit dem Titel „TMEM106B and CPOX are genetic determinants of cerebrospinal fluid Alzheimer’s disease biomarker levels“ finden Sie hier: https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/alz.12330
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Lars Bertram, MD
Professor of Genome Analytics
University of Lübeck
Maria-Goeppert-Str. 1 (MFC1)
23562 Lübeck, Germany
(T) +49 451 3101 7490 (F) -7494
(E) lars.bertram@uni-luebeck.de
(W) www.liga.uni-luebeck.de
Originalpublikation:
https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/alz.12330
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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