Nierentransplantation nach dem Prinzip „Alt für Alt“



Teilen: 

10.08.2023 14:37

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Nierentransplantation nach dem Prinzip „Alt für Alt“

Aktuelle Studie zeigt: HLA-Typisierung mit Matching für DR bei Eurotransplant-Senior Patienten führt zu einer Verlängerung des Patienten- und Transplantatüberlebens

Wie groß ist der Einfluss der Gewebemerkmale von Spender und Empfänger auf den Erfolg einer Nierentransplantation bei Patienten im Alter von 65 plus? Eine Studie unter der Co-Leitung von Professor Dr. med. Bernhard Krämer, Direktor der V. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), untersuchte erstmals, wie sich die Passgenauigkeit des Zelloberflächenrezeptors HLA-DR auf die Gesamtsterblichkeit bzw. das Versagen des Nierentransplantats in dieser Altersgruppe auswirkt. Es zeigte sich, dass eine Zuteilung der Spenderorgane auf der Grundlage des HLA-DR-Matchings die Fünf-Jahres-Sterblichkeit und das Überleben von Nierentransplantaten deutlich verbessert.

Mehr als die Hälfte der Patienten, die aufgrund einer Niereninsuffizienz in Nierenersatzprogramme aufgenommen werden, sind 65 Jahre oder älter. Eine Transplantation würde die Überlebenszeit dieser Patienten im Vergleich zur Dialyse verdoppeln. Doch nur wenige dieser Patienten haben die Chance, rechtzeitig ein Spenderorgan zu erhalten: Patienten von 65 Jahren und älter müssten meist etwa sechs bis sieben Jahre warten, ehe sie eine Spenderniere zugeteilt bekommen, da Spenderorgane besonders in Deutschland rar sind. Mehr als die Hälfte dieser Patienten würde diesen Tag leider nicht mehr erleben.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet das Eurotransplant Senior Programm (ESP). Es wurde 1999 von Eurotransplant aufgelegt, um die Chancen älterer Patienten auf eine rechtzeitige Transplantation zu verbessern. Nach dem Prinzip „Alt für Alt“ werden hierbei Organe von über 65-jährigen verstorbenen Spendern bevorzugt an Empfänger der gleichen Altersgruppe in der Spenderregion vermittelt. Um eine schnelle und unkomplizierte Vergabe gewährleisten zu können, wird bei ESP-Transplantationen darauf verzichtet, die Gewebemerkmale des Spenders zu ermitteln und auf Passgenauigkeit von Spender und Empfänger hin zu überprüfen. Eine schlechtere Übereinstimmung der Gewebemerkmale ist jedoch mit erhöhten Abstoßungsraten verbunden.

Für die Gewebeverträglichkeit von Spenderorgan und Empfänger spielt das sogenannte HLA-System (human leukocyte antigen system) eine wichtige Rolle. Die Leukozyten-Antigene helfen dem Immunsystem, zwischen körpereigenem und körperfremdem Gewebe zu unterscheiden. Je ähnlicher die HL-Antigene von Spender und Empfänger sind, desto geringer ist die Gefahr von Abstoßungsreaktionen.

In der Studie wurden die gepaarten Nieren von insgesamt 675 Spendern im Alter von 65 Jahren und älter jeweils einem Transplantationskandidaten des ESP-Programms ohne Typisierung und einem Kandidaten des Eurotransplant Senior-Programms mit DR-Kompatibilität (ESDP) vermittelt. In der Nachverfolgung zeigte sich, dass die Transplantation von Nieren mit passenden HLA-DR-Antigenen mit einem signifikant niedrigeren Risiko einhergeht, dass der Empfänger innerhalb von fünf Jahren nach der Transplantation verstirbt (30 Prozent niedrigere Mortalitätsrate) oder aufgrund eines Transplantatversagens – nach einem oder fünf Jahren – wieder zur Dialyse zurückkehren muss, was mit einer schlechten Prognose verbunden ist.

Ein weiteres Ergebnis der Studie war die Beobachtung, dass eine Zuteilung der Transplantate auf der Grundlage des HLA-DR Matchings die dialysepflichtige Zeit vor der Transplantation von im Mittel 4,1 Jahren auf 2,4 Jahre verkürzte, da für die Zuweisung der Spenderorgane in erster Linie die Gewebeverträglichkeit und nicht die Wartezeit ausschlaggebend ist.

„Auch dies trägt dazu bei, dass eine Zuteilung auf der Grundlage des HLA-DR-Matchings die Fünf-Jahres-Sterblichkeit und das Überleben von Nierentransplantaten im Rahmen einer Alt-für-Alt-Nierentransplantation verbessert“, sagt Professor Krämer, der die Studie in Deutschland koordiniert. An der Studie sind außerdem Kliniken in Österreich, Belgien und den Niederlanden beteiligt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. med. Bernhard Krämer
Universitätsmedizin Mannheim
Direktor der V. Medizinischen Klinik
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
D-68167 Mannheim
Tel. +49 621 383-5172
bernhard.kraemer@umm.de


Originalpublikation:

de Fijter JW, Dreyer GJ, Mallat MJ, Budde K, Pratschke J, Klempnauer J, Zeier M, Arns W, Hugo C, Rump LC, Hauser I, Schenker P, Schiffer M, Grimm MO, Kliem V, Olbricht CJ, Pisarski P, Banas B, Suwelack B, Hakenberg O, Berlakovich G, Schneeberger S, van de Wetering J, Berger SP, Bemelman F, Kuypers D, Heidt S, Rahmel A, Claas F, Peeters P, Oberbauer R, Heemann U, Krämer BK
A paired-kidney allocation study found superior survival with HLA-DR compatible kidney transplants in the Eurotransplant Senior Program
Kidney International, June 2023
https://doi.org/10.1016/j.kint.2023.05.025


Bilder

Leben mit gesunden Nieren

Leben mit gesunden Nieren
Stock-Foto
UMM

Graphical abstract

Graphical abstract

UMM


Anhang

attachment icon Pressemitteilung


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW