Teilen:
23.07.2024 17:23
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Springende Gene“ unterstützen Immunzellen im Gewebe
Forschende des Leibniz-Instituts für Immuntherapie (LIT) beschreiben eine neue Art der Regulation von Immunzellen durch sogenannte „springende Gene“.
Das Immunsystem verteidigt den Körper gegen eindringende Bakterien und Viren sowie die Ausbreitung von Tumorzellen. Durch die notwendige Immunreaktion des Körpers entstehen unerwünschte Schäden, die der Körper heilen muss. Nach der Bekämpfung dieser Gefahren muss das Immunsystem wieder gedämpft werden, sonst kann es zu anhaltenden Entzündungen oder gar der Entstehung einer Autoimmunerkrankung kommen. Die Reduzierung der Immunreaktion sowie die Einleitung der Gewebeheilung erfolgen unter anderem durch gewebeansässige Immunzellen. Dabei sind sogenannte regulatorische T-Zellen eine wichtige Immunzell-Gruppe. Es ist bislang jedoch noch nicht ausreichend erforscht, wie sich gewebeansässige Immunzellen von Immunzellen im Blut unterscheiden und ob verschiedene Immunzelltypen im Gewebe gemeinsame Anpassungsprogramme durchlaufen.
Forscher aus der Abteilung für Immunologie des LIT haben die DNA von im Gewebe ansässigen Immunzellen aus unterschiedlichen Geweben epigenetisch untersucht. Die Epigenetik beschreibt, wie Gene ähnlich wie bei einem Lichtschalter an- und ausgeschaltet werden, so dass Zellen sich unterschiedlich entwickeln. Ein wichtiger Aspekt der Epigenetik sind sogenannte Enhancer, zugängliche DNA-Abschnitte, welche die Genexpression beeinflussen. „Erstaunlicherweise haben wir sehr ähnliche epigenetisch gesteuerte Anpassungsprogramme in verschiedenen Immunzell-Typen im Gewebe gefunden. Dieser Befund lässt auf übergeordnete Genregulationsmechanismen schließen“, erklärt Dr. Philipp Stüve, einer der Erstautoren der Studie.
„Bei der Suche nach diesen übergeordneten Genregulationsmechanismen sind wir auf eine Anreicherung von sogenannten Transposons oder springenden Genen in epigenetisch zugänglichen DNA-Abschnitten gestoßen“, beschreibt Dr. Lisa Schmidleithner, eine der Erstautorinnen der Studie.
Springende Gene sind aus Viren ins Erbgut eingebaut worden und haben während der Evolution durch spontane Integration im Genom („Springen“) tausende von Kopien an unterschiedlichen Stellen im Erbgut hinterlassen. Dadurch macht ihre Gesamtheit heute fast 50 % der menschlichen DNA aus. Lange wurde gedacht, dass diese springenden Gene keine Funktion haben. Auch wenn die meisten springenden Gene heute nicht mehr mobil sind, haben neueste Studien gezeigt, dass sie eine wichtige Rolle bei der Genregulation spielen. „Unsere Daten zeigen in gewebsansässigen Immunzellen eine Anreicherung bestimmter Familien von springenden Genen in zugänglichen Enhancer-Regionen, wodurch die Gewebeanpassung von Immunzellen reguliert werden könnte. Daneben besitzen diese springenden Gene Motive für Bindestellen von sogenannten Transkriptionsfaktoren, die für die Funktion von Enhancern wichtig sind“, erläutert Dr. Malte Simon, einer der Erstautoren der Studie. Somit stellen springende Gene eine bislang unterschätzte Art der Genregulation dar, welche die gemeinsamen Anpassungsprogramme erklären könnten, die unterschiedliche Immunzellen in der Entwicklung aus dem Blut zu funktionellen gewebsansässigen Immunzellen durchlaufen. Weitere Forschung ist nun notwendig, um dieses neue Feld der Gewebeimmunologie besser zu verstehen.
„Ein umfassendes Verständnis des Immunsystems im Gewebe ist eine Voraussetzung für gewebespezifische Behandlungsansätze, um damit Entzündungen oder Tumorerkrankungen mit Hilfe von genetisch verbesserten Immunzellen zu therapieren“, erklärt Professor Markus Feuerer, der Leiter der Studie.
Über das Leibniz-Institut für Immuntherapie (LIT):
Das LIT ist ein Institut innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft mit Sitz in Regensburg, Deutschland. Unsere Mission ist es, innovative Therapien für die Behandlung von Krebs, Autoimmunerkrankungen und chronischen Entzündungen zu entwickeln. Durch die Umschulung von Immunzellen mittels synthetischer und pharmakologischer Strategien entwickeln wir Zellen, die Leben retten.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus Feuerer
Leiter der Abteilung für Immunologie
LIT – Leibniz-Institut für Immuntherapie
c/o Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauss-Allee 11
93053 Regensburg
Tel.: +49 941 944 38121
E-Mail: markus.feuerer@ukr.de
Professor für Immunologie
Leiter, Lehrstuhl für Immunologie
Universität Regensburg
Originalpublikation:
Für weitere Informationen besuchen Sie bitte den vollständigen Artikel im Journal „Immunity“:
Malte Simon, Philipp Stüve, Lisa Schmidleithner, Sebastian Bittner, Niklas Beumer, Nicholas Strieder, Christian Schmidl, Asmita Pant, Claudia Gebhard, Andreas Eigenberger, Michael Rehli, Lukas Prantl, Thomas Hehlgans, Benedikt Brors, Charles D Imbusch, Michael Delacher and Markus Feuerer. Single cell chromatin accessibility and transposable element landscapes reveal shared features of tissue-residing immune cells. Immunity, 2024
https://doi.org/10.1016/j.immuni.2024.06.015
Bilder
Evolutionäres Erbe: Integration springender Gene in die DNA
LIT
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch